KRITIK: Irgendwie witzig, wenn Ökonomen feststellen, dass ihre Arbeit „stark datengetrieben und vom Streben nach Präzision geprägt“ ist. Sie haben die Macht von Geschichten entdeckt und erkennen, dass diese sich „häufig der Quantifizierung entziehen.“ Was Narrative bewirken können, zeigt US-Präsident Trump mustergültig.
Wobei ich schon schmunzeln muss, wie die „Wissenschaftler“ allein mit dem Begriff „Narrativ“ besonders erfolgreichen Geschichten den Hauch von Wissenschaftlichkeit verleihen wollen. Aber egal, es ist ja schon erfreulich, dass die Ökonomen erkennen, dass die Geisteswissenschaften durchaus hilfreiche Theorien zur Verfügung stellen können, auch wenn das mit der Quantifizierung schwierig ist.
In der Wirtschaftswoche erklärt der Nobelpreisträger Robert Shiller anlässlich seines neuen Buches („Narratvie Economics“) die Wirkung von Narrativen („Das brennt sich in die Köpfe ein“). Dass Menschen eben nicht „maschinengleiche, nutzenmaximierende Wesen“ sind. Dass Gefühle bei unseren Entscheidungen eine Rolle spielen und Geschichten nun mal unsere Entscheidungen beeinflussen.
Die Wirkung von Narrativen
Was braucht eine Geschichte, um eine nachhaltive Wirkung zu erzielen? Starke Bilder. So wie das Durchschlagen des gordischen Knotens durch Alexander den Großen. Die Geschichte lässt uns bis heute daran glauben, dass man Probleme mit einem einzigen genialen Zug lösen kann. Oder die Überquerung des Atlantiks durch Greta Thunberg, die auch eindrucksvolle Bilder lieferte.
Außerdem benötigt sie ein großes Publikum. Das ist in heutigen Zeiten dank Social Media viel einfacher zu finden. Und so manchem gelingt es, seine Geschichten wirkungsvoll in Szene zu setzen. Allen voran US-Präsident Trump, der seine Narrative wirkungsvoll vor großem Publikum ausbreitet und dazu noch auf Twitter um die Welt schickt. Das erfolgreichste unter ihnen: „Make America great again.“ Laut Shiller ist diese Geschichte mit dafür verantwortlich, dass es an den Börsen aufwärts ging. Das wiederum nutzt Trump, um die Geschichte zu erzählen, seine Politik sei für den Börsenboom verantwortlich, eine neue Geschichte, die offenbar funktioniert. (Wobei sie ja nicht mal falsch ist, wenn es stimmt, dass die erste Geschichte den Boom mit beeinflusst hat …).
Noch ein aktueller Fall: „Die Zinsen sind auch deshalb so niedrig, weil die Menschen glauben, dass sie weiter niedrig bleiben.“ Auch zur Zeit wirkungsvolle Geschichten: Die Digitalisierung bedroht unsere Arbeitsplätze. Oder: Flüchtlinge nehmen uns die Arbeit weg.
Unkaputtbar?
Es gibt Narrative, die offenbar jede Krise überstehen, so z.B. die des Traums vom „Tellerwäscher zum Millionär“. Verbunden mit der Geschichte „Sozialismus ist böse“ gelingt es in den USA, die Menschen von der Forderung nach sozialem Ausgleich abzuhalten, und das schon sehr lange.
Allerdings, so Shiller, dauern Narrative nicht ewig. Das von dem erfolgreichen New Economy-Gründer geriet ins Wanken, als die ersten Geschichten auftauchten, dass den Unternehmen bald das Geld ausgehen würde. Dies löste prompt einen Börsencrash aus.
Was zu der Frage führt, ob man Narrative stoppen kann, wenn sie denn erkennbar Schaden anrichten. Durch „Gegen-Narrative“, die aber „ebenfalls ansteckend“ sein müssten. In der Regel jedoch würden wir versuchen, mit Fakten die Erzählungen zu widerlegen, was zum Scheitern verurteilt ist. Es braucht eine Story, die „große erklärende Erzählung, die wirkmächtigen Bilder.“
Da tun wir uns in der Demokratie schwer, oder? Wie könnte ein Kontra-Narrativ aussehen, das den zunehmenden Nationalismus stoppt? Oder den Hass auf Fremde? Gibt es keine ansteckenden Bilder und Geschichten zur Demokratie? So nett das mit der Theorie der Narrative auch klingt: Es ist einfach, im Nachhinein Entwicklungen in der Wirtschaft mit irgendwelchen Mustern und typischen Geschichten zu erklären. Wo sind die Lösungsansätze für aktuelle Probleme? Die müsste eine gute Theorie doch auch zu bieten haben.