20. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Die Wanderdüne beobachten

KRITIK: In populärwissenschaftlichen Medien lesen wir gebetsmühlenartig immer wieder die Einteilung in Generationen: Baby Boomer, Gen X, Gen Y, Gen Z. Warum hier 15-Jahresschritte zur Einteilung benutzt werden, wird zumeist nicht hinterfragt. Und auch nicht problematisiert, warum Tausende in ein und dieselbe Jahrgangskiste gesteckt werden – wie im chinesischen Horoskop. Bist Du im Januar 1996 geboren, bist Du eben ein typischer Vertreter der Gen Z – keine Widerrede. Jemand, der vier Wochen früher zur Welt gekommen ist, tickt hingegen komplett anders als die Kollegin. Man muss es einmal festhalten: Diese Setzung ist schlicht willkürlich. Aber ungeheuer praktisch natürlich für Leute, die sich die Welt gerne simpel erklären wollen.

Es geht differenzierter: Am Institut für Generationenforschung wurde im Jahr 2018 die erste bundesweite repräsentative Befragung unter über 1.000 Angehörigen der Generation Z durchgeführt. Die Daten wurden mit anderen Alterskohorten verglichen. Eine zentrale Grundannahme dieser Studie ist nun eine entwicklungspsychologische: Dass nämlich im Alter von etwa 15 bis 25 Jahren die menschliche Identität entsteht und sich festigt. Im autobiografischen Gedächtnis werden markante Erinnerungen abgespeichert, die man auch Erinnerungshügel (Reminiscence Bump) nennt. Man hat ähnliche Erfahrung gemacht und ähnlich interpretiert. Das prägt fürs Leben. Erklärt aber nicht die Generationenkonzepte. Allenfalls könnte man so einen gleitenden Durchschnitt als Wanderdüne, formulieren – aber keine 15-Jahre-Pakete.


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Kohorten-Fetischismus

Der Fokus des Autors (Wie tickt die Generation Z) geht nun auf diese ähnlichen Erfahrungen. Zu nennen wären bei der sogenannten Gen Z eine besonders starke Bindung an die Eltern (Einzelkinder? Helikopter-Eltern? Wohlstand? – Nichts Genaues weiß man). „Die Generation Z ist die erste Generation, die mit digitalen Geräten aufwächst.“ Na ja, denke ich mir, ich als Baby Boomer habe doch schon in den späten 1980er-Jahren mit dem Computer gearbeitet. Bin ich jetzt komisch? Aber die digital Naiven (!) sind einfach später eingestiegen. Da gab es das WWW schon. Und als sie jugendlich wurden, hatte Mark Zuckerberg gerade Facebook gelauncht. Die Studie stellt die Aspekte heraus, die diese jungen Menschen sogleich als normal wahrgenommen haben: Schnelligkeit, Transparenz, Multimedialität. Darauf mussten die Baby Boomer, die den Bits und Bytes noch beim Wandern über 28k-Fax-Modems zugeschaut haben, Jahre warten.

Und als die Möglichkeiten da waren, gab es in den Unternehmen lange auch Zurückhaltung gegenüber dem Digitalen. Es war vielen nicht geheuer. Man fürchtete den Blackout und dass dann alle Daten weg wären: Papierausdrucke, Faxe, Telefon – die Bastion der analogen Generation. Nicht wenige halten heute noch dran fest. „Gleichzeitig haben junge Menschen aufgrund ihres geringen Trainings in der analogen Welt oft erhebliche Probleme, nicht digitale Anforderungen, wie Telefonate oder Kundenkontakt zu führen, zu bewältigen.“ Oh ja, das kann ich durch meinen Umgang mit Studierenden bestätigen. Die schreiben Mails, statt zu telefonieren, und wenn sie keine Antwort bekommen, gucken sie dumm aus der Wäsche. Ok, nicht alle! Wenn ich die Quanten kritisiere, sollte ich nicht selbst pauschalisieren.

Man könnte solches schön mit Konzepten wie Sozialisation oder Kultur beschreiben. Doch leider bekommt der Autor des Instituts für Generationenforschung diese Kurve nicht hin. Er geht auch auf die großen Ordner, die Kontextbedingungen, nur am Rande ein: Die junge Generation kann sich inzwischen die Jobs aussuchen, weil der Arbeitsmarkt Demografie bedingt leergefegt ist (Roter Teppich). Spannende Fragestellung, nur weniger einfach zu erforschen als der Blick auf Persönlichkeit. Allerdings, das müssen wir einfach einmal festhalten: Es gibt wissenschaftliche Studien, die das Generationenkonzept radikal in Frage stellen (Von wegen Generation Y).

Miteinander auskommen

Die berechtigte Frage, die der Autor nun zum Schluss aufwirft, ist, wie können fünf Generationen in Unternehmen gut miteinander auskommen? Auch da haben andere schon drüber nachgedacht (Generationenkonflikte). Autor Maas macht es sich etwas zu einfach, indem er als Faustformel präsentiert: „Anerkennung der generationellen Andersartigkeit bei gleichzeitiger Förderung des generationenübergreifenden Gemeinsamen unter Berücksichtigung der Individualität.“ Das klingt zunächst zustimmungsfähig, bleibt aber mächtig abstrakt. Es fehlen nur (!) noch die Bedingungen, die Programme, die Personen mit Ambiguitätstoleranz, die solches umsetzen. Wie das konkret in den Unternehmen gelingen soll, die Antwort auf diese Frage bleibt der Autor leider schuldig.

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