INSPIRATION: Hierarchische Unternehmen haben in der Regel auch ein zentral organisiertes Innovationsmanagement. Soll heißen: Es gibt Forschungsabteilungen, die in die Organisation eingebunden sind, und es gibt das „Vorschlagswesen“, über das Mitarbeiter ihre Ideen einbringen können. Bei hierarchiearmen Unternehmen funktioniert das anders. Das hat eine Studie ergeben, die fünf „heterarchische“ Organisationen mit Interviews und Online-Befragungen untersucht hat (Innovativ im Kollektiv).
Ausgewählt wurden die fünf Organisation (u.a. People Software, Home Care Network und Fireco), weil sie wohl besonders innovativ sind und gleichzeitig so gut wie keine klassischen Hierarchien haben. Sie zeichnen sich aus durch eine Art Netzwerkstruktur, Koordination durch Werte und Normen statt durch formalisierte Rollen und ein hohes Maß an zwischenmenschlicher Kommunikation.
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Bezogen auf das Innovationsmanagement ergaben die Befragungen, dass offenbar kaum systematische Strategieansätze existieren, hingegen eine klares gemeinsames Verständnis des Daseinszwecks der Organisation und der kollektiven Verantwortung für Innovation. Einfach ausgedrückt: Die Mitarbeiter sind sich einig, wohin der Weg führt und dass jeder für neue Ideen zuständig ist. Es gibt auch keine klaren Kritieren dafür, wonach entschieden wird, ob sich einzelne Ideen und Initiativen lohnen. Sie werden nach „Bauchgefühl und frühem Kundenfeedback ausgewählt.“
Pull-Prinzip
Interessanter Aspekt: In klassisch hierarchischen Organisationen, die auf Effizienz getrimmt sind, benötigen Innovationsinitiativen einen „Schutzraum“, in dem sie gedeihen können, in den untersuchten Organisationen ist es eher anders herum: Hier ist es eher die Effizienz, die geschützt werden muss. Klingt so, als wären die Mitarbeiter vor allem damit beschäftigt, sich etwas Neues auszudenken. Sie agieren nach dem „Pull-Prinzip“ und suchen sich die Themen, für die sie sich engagieren wollen und warten nicht ab, ob sie dafür die Erlaubnis bekommen.
Machtpromotoren in Form des Gründers oder Eigentümers gibt es gleichwohl. Nur, so die Erkenntnis, basiert deren Einfluss mehr auf ihrer Erfahrung und dem größeren Überblick. Auf sie wird gehört, nicht weil sie die Position innehaben, sondern weil ihr Wort geschätzt wird.
Welche Konsequenzen könnten diese Erkenntnisse für andere Organisationen haben? Nicht sonderlich überraschend: Auf drei Ebenen lassen sich die Prinzipien anwenden:
3 Ebenen
- Auf der Ebene des Individuums, oder besser: Auf der jeder einzelnen Führungskraft. Sie kann ihren Mitarbeitern vermitteln, dass sie sich die Themen selbst suchen dürfen, sie kann ihnen den notwendigen Freiraum zum Experimentieren geben. Und eben einen „nicht hierarchischen Führungsstil pflegen„. Nette Idee, bedingt aber eine Menge Selbstvertrauen und Stärke auf Seiten der Führungskraft, wenn sie dann von ihrer Führungskraft zur Rede gestellt wird.
- Auf der Ebene des Projektteams. Klar, man kann die Möglichkeit einräumen, dass Mitarbeiter sich zu Themen, die sie selbst wählen, zusammenschließen und auf der Basis von Kundenfeedback oder eigenen Ideen Experimente machen und Innovationen testen. Dazu muss man nicht die Organisation umkrempeln, wohl aber diesen Teams einen „Schutzraum“ einrichten. Und ohne Budget geht das sicher auch nicht, da geht es schon wieder los mit dem zentralen „Innovationsmangement“.
- Auf der Ebene der Organisation, das ist sicher die größte Herausforderung. Dazu müsste man eine andere Innovationskultur fördern und vorleben – eben dass Innovation eine Aufgabe für jeden Mitarbeiter ist und daher sich auch jeder für seine Ideen engagieren kann. Hier helfen themenbezogene Kreise und interne digitale Netzwerke, aber auch regelmäßige Strategietage, an denen sich möglichst viele oder sogar alle beteiligen können.
Was letztlich aber immer wieder darauf hinausläuft, Mitarbeiter zu ermächtigen und Führungskräfte entweder zu „entmachten“ oder ihre Rolle neu zu definieren.
Ich persönlich glaube, dass es möglich ist, auch in größeren Organisationen diese Art von Innovationskultur zu schaffen, aber auch extrem schwierig. Und dass früher oder später der Ruf nach Lenkung und Steuerung, nach Genehmigungsverfahren, Entscheidungsbefugnissen und standardisierter Bewertung von Ideen laut wird, und es dann schon viel Vertrauen und Mut braucht, diesem Ruf zu widerstehen.