INSPIRATION: Das Personalmagazin nennt sie die Deskless Workforce: Die Mitarbeitenden in der Produktion, im Service und in der Pflege. Wir sprechen über 80 Prozent der Beschäftigten weltweit, die nicht im Büro sitzen. Homeoffice ist für sie ein Fremdwort, sie fühlen sich in der aktuellen Diskussion abgehängt. Viele wären froh, wenn sie wenigstens eine Unternehmens-Mailadresse hätten oder sogar ein Diensthandy. Mal abgesehen von speziellen Apps, die sie im betrieblichen Alltag nutzen könnten und die allen die Arbeit erleichtern würden. Und dann wäre da noch das Thema flexible Arbeitszeiten. Da kann man schon neidisch werden auf die Bürohengste …
Dabei haben sich viele Mitarbeiterinnen bewusst gegen das Büro entschieden, weil sie gerne vor Ort arbeiten, auch gerne beim Kunden sind. Werden sie jetzt bestraft? Während die Büroarbeiter aber nun weitergehende Forderungen stellen, sieht es auf der On-Site-Seite immer öfter mau aus: Fachkräftemangel! Da dämmert es so einigen Verantwortlichen, dass man da etwas tun muss. Es ist nicht so, dass die Unternehmen und deren Mitarbeiter in der Vergangenheit nichts getan hätten: Da wird auf der Baustelle mit dem Handy ein Foto geschossen und an den Chef geschickt. Oder man telefoniert gleich mit dem Großhandel, ob ein Ersatzteil vorrätig ist. All das ist gut, doch kann es erst der Anfang sein. Warum gibt es keine Apps, mit der die Mitarbeiter vor Ort die Aufträge ohne Medienbruch dokumentieren können – und auch ohne, dass die NSA gleich mitliest? Oder Apps, mit denen man die Personaleinsatzplanung eigenverantwortlich managen kann? Schnell wird klar, beim Thema Digitalisierung öffnen sich in kleinen und mittleren Unternehmen tiefe Gräben. Deutschland hat das Thema verschlafen. Andere waren schneller.
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IT für die Mitarbeitenden jenseits der Büros
Nun gut, es gibt ein paar Vorzeige-Unternehmen: DM beispielsweise. Doch in der Masse beklagen die Mitarbeiter, so Autorin Daniela Furkel (Die übersehene Mehrheit), „das, was ihnen die Arbeitgeber zur Verfügung stellen, erfüllt nur selten ihre Vorstellungen und Bedürfnisse.“ Dann stricken sich die Mitarbeiterinnen halt so eigene Lösungen – am Management vorbei. Das kann nicht im Sinne des Erfinders sein. Warum nimmt man die Leute im Blaumann nicht ernst? Wer die „Frontline“ halten will, der muss als Unternehmen nun handeln. Sonst sind die guten Leute bald weg.
Sind die großen Unternehmen schon anders aufgestellt? Harald Schirmer, Projektverantwortlicher „Future Work“ beim Automobilzulieferer Continental, beschwichtigt im Interview mit Matthias Haller (Geringverdienern ein Sabbatical anzubieten, wäre lebensfremd): „Büro, kein Büro“ ist ihm zu undifferenziert. Und er verweist auf eine Konzernbetriebsvereinbarung zur Flexibilität aus dem Jahre 2016. Doch der Leser stutzt: Haben wir nicht schon in den 1990er-Jahren flexible Schichtpläne gesehen? Das ist doch kein Kind der Corona-Pandemie! Immerhin hat man bei Continental begriffen, dass es um Kommunikation geht und um Partizipation. Und dafür braucht es auch am Fließband eine App für die Mitarbeiter – und ein Social Network. Na also, geht doch!
Apropos DM: Dort hat man eine Personaleinsatzplanungs-App entwickelt (Mammutprojekt Mitarbeitereinsatzplanung). Es war spätestens im Jahr 2016 klar, dass man nicht mit Papierausdrucken und den damit verbundenen Medienbrüchen weiterkommt, sondern „etwas Richtiges“ braucht. Die Umsetzung dauerte allerdings vier Jahre und hat vier verschiedene Apps als Ergebnis produziert. Warum? Zunächst muss der Verantwortliche für die Mitarbeitereinsatzplanung Zeiträume für die Planung definieren und eine Bedarfsplanung generieren. Dann planen sich die Mitarbeiter ein. Jetzt überprüft der Verantwortliche die erfolgte Planung und checkt diverse Parameter. Zum Schluss wird die aktuelle Planung ausgeworfen. Eine ziemlich komplexe Angelegenheit. Immerhin gibt es bei dm 2.000 Filialen mit 40.000 App-Nutzern. Diese Komplexität und die Bedienung der App hat auch nicht jede Mitarbeiterin sogleich verstanden. Die Implementierung brauchte folglich auch Schulung und Unterstützung vor Ort. Die Corona-Pandemie war da auch gleich ein wichtiger Lackmustest.
Und die Weiterbildung ?
Noch ein wichtiges Thema jenseits der Büros: Weiterbildung (Lernen ohne Schreibtisch). Geht das? Oder werden die Mitarbeiter mit Bildungshäppchen aus dem Netz abgespeist? Wir bei MWonline haben da ja schon mal den Finger in die Wunde gehalten (Umbau der Personalentwicklung). Doch inzwischen sehen wir, dass sich hier einiges tut. Und wir freuen uns, dass unsere Webinar-Gäste, Jessica Richter und Julia Tronsberg von Infineon (Digital lernen am Arbeitsplatz), in diesem Beitrag prominent zu Wort kommen. Auch bei weiteren Unternehmen wie B. Braun oder der HAI Group hat man die Zeichen der Zeit erkannt und unterstützt das Lernen auf dem Shopfloor. Sogar im Krankenhaus ist die Botschaft angekommen. Michael Löhr, Pflegedirektor des LWL-Klinikums Gütersloh, erläutert die bunte Palette an Weiterbildungsmöglichkeiten. Die Mitarbeitenden greifen beispielsweise auf Learning-Management-Systeme zu, die externe Anbieter zur Verfügung stellen.
Zusätzlich ist zu beobachten, dass die Mitarbeitenden stark zu Peer-Learning angeregt werden. Gerade für das Krankenhaus, berichtet der Pflegedirektor Löhr, ist multidisziplinäres Lernen essenziell. So wird unmittelbar einsichtig, es geht nicht nur um neues Denken, sondern auch um eine neue Infrastruktur. Und darum, dass das Lernen in den Alltag und vor Ort gut integriert werden kann. Deshalb ist die Virtualisierung der Weiterbildung unverzichtbar. Wobei man nicht alles virtualisieren muss, es kommt auf die gute Mischung von Settings und Vermittlungswegen an. Von nichts kommt nichts – Kompetenz erst recht nicht.