7. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Keine Haltung

KRITIK: Reinhard Sprenger hält nicht viel von Angela Merkels Führungseigenschaften (Handwerk, keine Haltung). Und ist erstaunt, dass viele deutsche Führungskräfte laut einer Umfrage sie am häufigsten als Vorbild nannten. Er begründet seine kritische Ansicht „führungstheoretisch“. Mit dem Ansatz kann man aber auch zu ganz anderen Ergebnissen kommen. Und nein, das ist kein politischer Beitrag, sondern ein „führungstheoretischer“. Erst mal die vier Aspekte laut Sprenger:

  1. Führungskräfte müssen entscheiden, weil sich Führung immer in außergewöhnlichen Situationen zeigt, nämlich im Fall eines Konfliktes. Dann nämlich muss entschieden werden. Schaut man sich die großen Konflikte während Merkels Amtszeit an, dann hat sie angeblich mit ihren Entscheidungen daneben gelegen: Das betrifft den Ausstieg aus der Atomenergie (Beerdigung der Rechtsstaatlichkeit), die Flüchtlingskrise (Moral statt Rücksicht auf die Belastbarkeit der Sozialsysteme) und die Corona-Krise (Einschränkungen auf Kosten unserer Kinder und der Freiheit).
  2. Führungskräfte müssen sich um die Zukunft kümmern, mindestens um eine ordentliche Nachfolge. Hat sie nicht definitiv nicht geschafft.
  3. Führung muss sich überflüssig machen und andere zur Selbstführung befähigen. Heute aber haben wir mehr Staat als vorher, die Menschen sind deutlich stärker von Versorgungsleistungen abhängig, die Ministerien aufgebläht.
  4. Führung ist Haltung, Management ist Handwerk. Merkel hat nie Haltung gezeigt, also ist sei eben keine gute Führungskraft.

Nein, das ist kein politischer Beitrag. Ich bin nur immer wieder erstaunt über die antiquierten Ansichten über die Aufgabe von Führungskräften. Der Reihe nach:


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  1. Führungskräfte sind dazu da, in schwierigen Situation zu entscheiden. Wirklich? Ich finde, in schwierigen Situationen sollten diejenigen entscheiden, die die meiste Ahnung von der Sache haben. Das können Gruppen von Menschen sein, die unter Berücksichtigung vieler Aspekte Entscheidungen treffen, oder Experten, die einfach das notwendige Wissen haben. Aber Führungskräfte?
    In Systemen, in denen alle auf einen schauen nach dem Motto: Oh, es wird brenzlig, entscheide du, ist das sicherlich der Fall. So wie Kinder zu Papa laufen, wenn sie Streit mit dem anderen haben.
    In demokratischen Organisationen ist das fatal. Insofern hat Sprenger dann doch recht: Merkel hat es nicht geschafft, Strukturen zu schaffen, in denen gute Entscheidungen möglich sind. Sie hat es auch in der Corona-Krise offenbar nicht geschafft, die vielfältigen interessen so zu moderieren, dass es zu guten Entscheidungen reichte. Ihr fehlen offenbar die Moderationsfähigkeiten. Hat aber sicherlich viel mit dem System und eher wenig mit der konkreten Führungskraft zu tun.
  2. Klar, es wäre super, wenn eine Führungskraft vor ihrem Ausscheiden den perfekten Nachfolger aufbaut. Aber mal ehrlich: Warum sollte sie das tun? Am Ende entscheidet im Unternehmen der Eigentümer bzw. der Aufsichtsrat, und der hat seine eigenen Interessen. In der Politik bzw. in den Parteien gibt es dafür die entsprechenden Gremien. Wer sich um seine Nachfolge kümmern muss, ist der Unternehmer, wenn er sein Unternehmen in gute Hände übergeben will. Aber Führungskräfte werden von oben eingesetzt, Politiker von ihren Wählern. Oder dem Parteivolk.
  3. Führungskräfte müssen sich überflüssig machen? In der Tat eine höchst löbliche Idee, die mir schon immer gut gefallen hat. Aber total paradox, auf der einen Seite zu verlangen, sich selbst abzuschaffen, und auf der anderen, immer dann, wenn es schwierig wird, Entscheidungen zu treffen. Führungskräfte können sich abschaffen, indem sie das System ändern und Macht abgeben. Wie soll das in einem politischen System passieren, in dem alles darauf abgestellt ist, sich gegen andere durchzusetzen?
    Okay, Sprenger meint etwas anderes. Der Staat soll sich „überflüssig“ machen. Aber soll er das wirklich? Er soll vernünftige Rahmenbedingungen schaffen, unter denen Menschen miteinander gut klarkommen. Wie viel Staat oder wie wenig, sollten die Wähler entscheiden.
  4. Tja, die Frage der Haltung. Es gibt Politiker, die eine klare Haltung vertreten. Sind sie deshalb bessere Führungskräfte? Ist Haltung automatisch gute Führung? Und wird von Führungskräften nicht immer wieder verlangt, flexibel zu reagieren? Eine Welt, die sich ständig wandelt und hochkomplex ist, braucht vermutlich deutlich mehr Anpassungsfähigkeit als früher. Viele werden Merkel eher als pragmatisch erlebt haben, und vielleicht dient sie deshalb als Vorbild.

Man kann Angela Merkel wegen vieler Dinge kritisieren, aber die angeblich „führungstheoretischen“ Argumente gegen sie als Führungskraft stehen auf einem ziemlich wackeligen und eher tradiertem Fundament.

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