KRITIK: Trainingstransfer – ein Dauerbrenner ohne wirkliche Lösungen. Die sollen nun per App kommen. Am Ende des Trainings erklärt der Trainer die App und verschickt dann sechs Wochen lang Übungsaufgaben. Er muss diese nicht mal immer wieder neu erstellen, sie basieren auf den Inhalten des Präsenztrainings und werden per Knopfdruck erzeugt. Sie werden von den Teilnehmern im Arbeitsalltag absolviert, wobei sich die Teilnehmer untereinander auch auch mit anderen über die App austauschen können.
Die Ergebnisse werden von der App festgehalten und am Ende gibt es eine Rückmeldung über die Zielerreichung. Auf Wunsch gehen zusammengefasste Ergebnisse auch an die Führungskraft oder die Personalabteilung. Die Anwender geben sich begeistert, zumindest diejenigen, die die App für ihre Mitarbeiter erwerben. Ganze neun Produkte werden in dem Beitrag des Personalmagazins vorgestellt (Per Anwendung zu Anwendung).
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Klar, dass die Versprechungen prima klingen. Angeblich haben Analysen der Anbieter gezeigt, dass der Einsatz der Transfer-App dazu führt, dass 50% der Seminarinhalte umgesetzt werden – ohne sie sollen es nur 10% sein. Wie man das wohl gemessen haben mag?
Auch eine schöne Zahl: Die Teilnehmerquote bei der App liegen bei 70 bis 90%. Soll was heißen? Dass 70 bis 90% der Aufgaben bearbeitet werden oder das 70 bis 90% der Teilnehmer einmal die App öffnen?
In dem Beitrag kommen auch Kritiker zu Wort, und ich bin geneigt, Ihnen zu folgen. Eine solche App schickt den Teilnehmern unverlangt Übungsaufgaben zu, die mehr oder weniger realitätsnah sind. Ganz egal, ob jemand just in diesem Moment Zeit und Lust hat oder den Inhalt genau in dem Moment benötigt. Warum sollte sich jemand dann hinsetzen und seine „Hausaufgaben“ machen? Und eine Stunde später hat er die Aufgabe schon wieder vergessen. Das disziplinierte Abarbeiten von Hausaufgaben per App setzt eben auch Lern- und Transferbereitschaft voraus.
Die Kritiker empfehlen stattdessen regelmäßige Anrufe vom Coach (Performance-Support). Der kann dann nachfragen, wo es Bedarf gibt und konkrete Unterstützung anbieten. Das dürfte den App-Fans kaum gefallen, denn das macht ja Arbeit. Die App hingegen kann einen bis unendlich viele Teilnehmer gleichzeitig erreichen, ein telefonierende Trainer hat da deutliche Kapazitätsgrenzen.
Tja, in der Praxis wird es wohl wieder ganz auf den Fall bzw. das Thema ankommen. Wenn ich ein Kommunikationstraining oder Rhetoriktraining absolviert habe, ist es ziemlich unwahrscheinlich, dass ich gerade dann eine passende Push-Nachricht kriege, wenn ich ein schwieriges Gespräch oder eine Präsentation zu bewältigen habe. Da wird der Anruf beim Coach deutlich mehr helfen. Wenn ich ein Training zur Bedienung einer Software besucht habe, hilft mir das Training per App auch nicht viel, wenn ich die Anwendung im Moment gar nicht nutze.
Beim Sprachtraining hingegen könnte ich mir schon vorstellen, dass ich so zwischendurch ein paar Vokabeln und Sätze nachspreche. Mit anderen Worten: Allzu große Hoffnungen würde ich auf solche Apps nicht setzen – sie werden diejenigen, die ohnehin ehrgeizig und diszipliniert sind, noch besser machen, aber nicht das Transfer-Problem lösen.