INSPIRATION: Es kommt frischer Wind in die Diskussion um das Thema Gehaltsfindung. Auch wenn immer noch die gleichen Fragen gestellt werden (Wirken Prämien motivierend?), so entwickeln sich offenbar interessante Alternativen. So viel wird deutlich: Es gibt nach wie vor kein allgemein taugliches Modell.
Aber zuerst noch mal zu der leidigen Frage, ob Boni und variable Vergütung Menschen zu Leistung motivieren. Im Personalmagazin (Leistung nach Bezahlung) gibt es einen Pro- und einen Contra-Beitrag, darin so epochale Sätze wie „Leistung muss sich lohnen“, sonst sind die Leistungsträger demotiviert. Hat jemals jemand behauptet, das Vergütung keinen Einfluss auf die Leistung hat? Die Frage ist doch immer noch die gleiche: Welche Wirkung und welche Nebenwirkungen haben Boni, die an fixe Kriterien gekoppelt sind?
Aber sei’s drum. Einen schönen alternativen Blick auf die Diskussion wirft Ardalan Ibrahim. Nach ihm geht es bei Vergütungsfragen immer um die Machtfrage: Wer entscheidet, was überhaupt eine Leistung ist und was sie wert ist? Und wer wird an der Gehaltsfindung beteiligt? In traditionellen Unternehmen basteln die Gehaltsstrategen der Personalabteilung an Modellen herum, die letzte Bewertung nehmen Führungskräfte vor – damit bleibt das alte „Ober-sticht-Unter-Prinzip“ erhalten. Gute Frage: „Wollen wir wirklich Eltern-Kind-Beziehungensdynamiken in unserem Unternehmen haben?“
Dann nehmen wir in Kauf, dass sich „die da unten“ ohnmächtig, sich latent unfair behandelt und alles andere als erwachsen agierende Mitarbeiter fühlen. Wer das nicht möchte, der „muss Lösungen anbieten, die die Mitarbeiter systematisch ermächtigen.“ Entscheidend ist es, ein System zu finden, „das aus der Vergütungsfrage kein Dauerbrennerthema macht, sondern sie vom Tisch bringt.“
Solche Ansätze gibt es, und das nicht erst seit der Diskussion über „New Work“ und „agile Unternehmen“ (New Work = New Pay?). Bei den CCP-Studios in Offenbach zahlt man Einheitsgehälter, alle bis auf den Geschäftsführer bekommen das Gleiche. Alle können das Firmenkonto einsehen, am Ende des Jahres wird der Überschuss verteilt, dabei wird gemeinsam entschieden. Als das System mal in Frage gestellt wurde, weil Einsteiger auch sofort das Einheitsgehalt bekamen, kehrte man nach einem halben Jahr zurück zum Modell, das seit 30 Jahren (!) gut funktioniert.
Bei Vollmer & Scheffczyk wählen die Mitarbeiter ihr Gehalt selbst. Sie bekommen von den Kollegen eine Rückmeldung, wie ihre Leistung wahrgenommen wird, sprechen noch mit zwei Kollegen und entscheiden dann selbst, was sie verdienen wollen.
Bei Elobau hat man mit Teams aus alle Ebenen umfangreiche Diskussionen über ein Modell geführt, dann ein Kernteam mit der Entwicklung beauftragt, wobei laufend Meinungen aus der Belegschaft eingeholt wurden. Das System, das Anfang 2017 einführt wurde, erzielte mehr als 96% Zustimmung. Das Gehalt setzt sich aus verschiedenen Prämien zusammen und wird jährlich neu festgelegt. Da muss man nur abwarten, ob das System wie viele andere nicht bald überholt ist.
Klar ist nur eins: Absolute Gerechtigkeit gibt es nicht, vielleicht so etwas wie eine Verfahrensgerechtigkeit. Wenn jeder weiß, wie sein Gehalt zustande kommt und sicher sein kann, dass er dabei mitreden kann, besteht die Chance, dass es eben kein „Dauerbrennerthema“ wird.