2. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Schneeflöckchen

Kritik: Die Klagen kenne ich: Junge Bewerber fragen als erstes nach Teilzeit, Sabbatical und Work-Life-Balance. Damit man überhaupt noch Mitarbeiter findet, muss es der kostenlose Obstkorb und der Kaffeeautomat sein. Dazu Fitnessstudio und Massagen am Arbeitsplatz. Wirklich? Vielleicht gibt es da ein Missverständnis.

„Schneeflöckchen“ nennt ein erfahrener Personalberater die junge Generation. Wenn es schwierig wird, fangen sie an zu schmelzen. Zum Chef taugen sie schon gar nicht (Die Wellnessfalle). Der Mann ist 77 Jahre alt und aus ganz anderem Holz geschnitzt, na klar.

Nun gibt es diese Klagen der Alten über die Jungen schon seit der Antike, also könnte man das alles gelassen durchwinken. Andererseits: Wohl noch nie strebte eine Generation in das Arbeitsleben, die eine so komfortable Jugend erlebt hat wie die jetzige. Und wahr ist sicherlich auch, dass man sich an Komfort und Leben ohne Existenzangst gewöhnen kann. Mit der Folge, dass erwartet wird, dass es immer so weiter geht. Dürfte niemandem von uns fremd sein.

Augenhöhe?

Angeblich reagieren Arbeitgeber auf diese Erwartung nicht nur mit den oben aufgeführten Wohlfühl-Angeboten, für die sie in 2015 im Schnitt 55 Euro pro Mitarbeiter ausgaben, in 2020 schon 88 Euro. Sie fangen nun an, von empathischer und sogar dienenden Führung zu reden. Soll heißen: Die Führungskräfte werden angehalten, die Bedürfnisse ernst zu nehmen und alles zu tun, damit sich Mitarbeiter umsorgt fühlen. Sonst laufen sie womöglich schnell wieder weg. Man soll sich auf Augenhöhe begegnen.

Ich habe nichts gegen einen guten Kaffee am Arbeitsplatz. Und auch nichts gegen eine angenehme Atmosphäre. Ich kann dann tatsächlich besser arbeiten. Aber das Missverständnis besteht doch darin, dass Augenhöhe keineswegs bedeutet, dass der eine den anderen mit Fürsorge überschüttet. Das ist alles andere als Augenhöhe, sondern nur eine andere Form von Abhängigkeit. Während früher die Mitarbeiter ihre Chefs mit Samthandschuhen anfassten, um ihren Arbeitsplatz nicht zu riskieren, ist es jetzt umgekehrt. Nix ist mit Augenhöhe.

Oder ein Missverständnis

„Dass die Jungen ihre Wünsche aussprechen …,“ findet ein Berater gut. Und ich finde seine Antwort gut: Arbeitgeber oder die sie vertretenden Führungskräfte müssten lernen, ihre Wünsche und Erwartungen auch klar zu äußern. Das können die meisten tatsächlich nicht. Oder trauen sich nicht. Warum soll man nicht auf die Frage, wie es um Work-Life-Balance bestellt ist, nicht ehrlich antworten? Und dann erklären, was dafür konkret erwartet wird. Begreift man den anderen als gleichwertigen Verhandlungspartner, braucht man sich über die Wünsche nicht zu empören. Sondern nimmt sie ernst und erklärt dann, was aus der eigenen Sicht dazu gehört. Also wie der Teil „Work“ zu verstehen ist.

Bedeutet: Man erklärt, welche Ziele man erreichen möchte, welche Qualität erwartet wird, was daran schwierig ist und dazu nötig ist. Und man kommt nicht umhin, mehr über das Unternehmen, z.B. seine relevanten Betriebszahlen, zu verraten, als das üblicherweise der Fall ist. Den Himmel auf Erden zu versprechen und sich anschließend wundern, dass der Neue entsetzt über die Realität ist, hilft niemandem.

Und was, wenn die Arbeit tatsächlich eher der Hölle ähnelt, und die „Schneeflocke“ dankend abwinkt, weil sie fürchtet, zu schnell zu schmelzen? Tja, dann wird es Zeit, über diese Arbeit nachzudenken und zu überlegen, was daran geändert werden kann. Statt über die verweichlichte Jugend zu jammern nach dem Motto: „Wir damals haben das ertragen, was fällt denen ein, diesen Stress abzulehnen?“ Mag sein, dass wir damals dachten, wir hätten keine andere Wahl. Die jungen Leute haben sie aber.

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