30. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Stille Denker

INSPIRATION: Es gibt sie, die zurückhaltenden, stillen und nachdenklichen Menschen, die wenig von Selbstvermarktung halten. Und die deshalb angeblich leicht übersehen werden, wenn es darum geht, Mitarbeiter zu fördern und zu entwickeln. Nicht schlau von Unternehmen, dieses Potenzial brach liegen zu lassen. Aber was genau können Organisationen und Führungskräfte tun?

Die Autoren in der Personalwirtschaft (Verkannte Leistungsträger) sehen viele Gründe, warum die Extravertierten im Vorteil sind. Sie tendieren dazu, sofort loszureden und ihre Gedanken während des Sprechens zu sortieren. Sie sehen vor allem die Chancen und sind rasch zu begeistern. Sie können sich schnell entscheiden und legen auch mit der Umsetzung schneller los. Die Introvertierten hingegen wägen erst mal sorgfältig ab, ehe sie sich äußern. Sie haben häufiger Bedenken und sehen die Risiken, was je nach Situation eher nervt. Sie haben ein „Bedürfnis nach Konzentration, Tiefe und Sachlichkeit„, moderne offene Bürolandschaften und häufige Meetings und Workshops sind daher nicht ihr Ding.


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Entsprechend lauten die Tipps: Sie sollten Aufgaben mit Tiefgang erhalten, eher in kleinen Team mit Fachleuten diskutieren, Rückzugsmöglichkeiten für Einzelarbeit bekommen und Phasen ungestörten Arbeitens einrichten können.

Das nächste gravierende Problem: Sie kommen nicht so leicht in Führungspositionen wie die Extravertierten – eben weil sie sich nicht hervortun und weniger auffallen. Auch das ist nicht gut, weil sie hervorragende Führungskräfte sein können. Sie hören zu, haben kein Interesse an sozialer Dominanz und sind deshalb offener für die Ideen ihres Teams. Daher schlagen die Autoren vor, „Extraversion und Introversion als DIversitätsthemen zu behandeln„. Soll wohl heißen: Unternehmen brauchen in ihrer Führungsmannschaft eine gesunde Mischung aus Extra- und Introvertierten. Und damit man eine vernünftige Auswahl treffen kann, sollte man seriöse Persönlichkeitstests zur Diagnostik einsetzen und die Anforderungen der Arbeitsplätze sorgfältig analysieren.

So fundiert das Modell der Extra- und Introversion auch ist – so vereinfacht wie hier dargestellt ist es natürlich Unsinn. Menschen liegen irgendwo auf einem Kontinuum zwischen den beiden Polen, sie sind eher das eine oder das andere – und das hängt oft auch noch von der Situation ab. Wer hat nicht schon sehr stille Menschen auf einmal völlig aus sich herausgehen sehen?

Aber selbst wenn sich Menschen so eindeutig zuordnen ließen – nicht auf jeden treffen immer alle Merkmale zu. Es dürfte Introvertierte geben, die nur sehr schlecht zuhören können. Und Extravertierte, die Selbstvermarktung verabscheuen. Da bleibt den Führungskräften und Personalern wohl nichts anderes übrig, als bei jedem Kandidaten genau hinzuschauen, über welche Stärken und Kompetenzen er verfügt.

Das eigentliche Problem sehe ich woanders. In der Regel wissen Führungskräfte ganz genau, wo die Stärken und Schwächen ihrer Mitarbeiter liegen. Und sie wissen auch, was sie an ihren introvertierten Kollegen haben. Nur dürfte es ihnen mitunter schwerfallen, letztere in der Organisation nach vorne zu bringen. Eben weil in den nächsten Ebenen vor allem der flüchtige Eindruck ankommt, und da hat der Extravertierte sicher klare Vorteile.

Genauer hinschauen

Unternehmen sollten also dafür sorgen, dass „Führungspotenzial“ nicht durch wenige „Beurteiler“ erfasst wird, sondern sich ein umfassendes Bild von den Kandidaten machen. Damit meine ich nicht das Assessment Center, ich glaube nicht daran, dass Introvertierte Kandidaten in den wenigen Übungen ihre Stärken wirklich präsentieren können (zumal die meisten Übungen eben die Kunst der Selbstdarstellung erfordern). Sondern dass man Menschen vor Herausforderunge stellt und genau hinschaut, wie sie diese bewältigen. Bzw. diejenigen fragt, die mit ihnen intensiv zusammen arbeiten.

Man kann übrigens mit einem sehr einfachen Mittel Introvertierte zu Wort kommen lassen. In den meisten Besprechungen erhält derjenige das Wort, der es ergreift bzw. der sich zu Wort meldet. Ich habe selten erlebt, dass man reihum abfragt, was die einzelnen Teilnehmer zu einem Vorschlag oder Sachverhalt meinen. Die meisten Besprechungsleiter oder Moderatoren scheuen vor dieser „Zwangsmeldung“ zurück. Tatsächlich ist das zunächst ungewohnt, und es muss dabei immer klar sein, dass es völlig okay ist, einfach das Wort weiter zu geben. Aber wenn man das Verfahren regelmäßig einsetzt, wird man erleben, dass auch die ansonsten stillen Vertreter anfangen, sich zu äußern und es sehr schätzen, gehört zu werden.

Wobei die Kunst darin besteht, wirklich auch reihum alle zu Wort kommen zu lassen und nicht zu erlauben, dass die Äußerungen sofort kommentiert werden. Da müssten die Extravertierten die Faust in der Tasche machen. Was hier hilft, ist, eine zweite „Meinungsbildungsrunde“ hinterher zu schieben. Je nach Wichtigkeit des Thema ist das ohnehin zu empfehlen. Also die Ansage: Jeder kann in der ersten Runde seine Meinung äußern, alle anderen hören zu, ohne die Äußerungen zu kommentieren. Anschließend folgt eine zweite Runde, in der wieder alle ihre Meinung sagen unter Einbeziehung dessen, was sie zuvor gehört haben.

Ausprobieren.

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