INSPIRATION: Können Sie die Emotionen anderer richtig deuten? Und sie beeinflussen? Sind Sie in der Lage, die eigenen Gefühle wahrzunehmen, zu verstehen und zu steuern? Dann verfügen Sie über einen hohen EQ. Der soll, spätestens seit dem Bestseller von Daniel Goleman, ziemlich wichtig sein, um beruflichen Erfolg zu haben. Wie sieht es also aus: Können Sie die Emotionen auf dem Bild auf der linken Seite erkennen und richtig benennen? Da geht es schon los: Was heißt hier „richtig“? Bei den meisten Aufgaben eines Intelligenztests ist die Sache eindeutig: Es gibt richtige und falsche Lösungen und dabei wenig Interpretationsspielraum. Sei es bei logischen Aufgaben, bei Tests zum räumlichen Vorstellungsvermögen, beim zahlengebundenen Denken. Alles Dinge, die man auch im Job benötigt.
Aber braucht man nicht auch die Fähigkeit, angemessen mit Gefühlen umzugehen? Sicher. Wer davon überzeugt ist, dass ein Mitarbeiter begeistert ist, wenn er ihn kritisiert, der wird wohl nicht lange Freude im Job als Führungskraft haben. Wer nicht mitkriegt, dass ein Mitarbeiter gerade in einem tiefen Loch steckt und glaubt, ihn mit der Androhung von Sanktionen motivieren zu können, ebenso wenig. Und wer seinen eigenen Frust nicht im Griff hat und ständig ausrastet, wohl auch nicht. Wem allerdings hier schon Zweifel kommen, weil er Manager kennt, die trotz dieser Defizite in Top-Positionen gelangt sind, der wird sich auch durch die folgenden Überlegungen bestätigt sehen.
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Das Konzept EQ
Das Konzept klingt zwar gut, ist aber nicht wirklich belegt (Der überschätzte EQ). Dabei scheint es so einleuchtend: Wie kann jemand mit anderen konstruktiv im Team zusammenarbeiten, wenn er kein Gespür für Spannungen und Erwartungen hat? Wie kann jemand schwerwiegende Unternehmensentscheidungen glaubhaft verkünden, wenn er nicht in der Lage ist, sich in die Situation der Betroffenen hineinzuversetzen? Wie kann jemand ein erfolgreicher Verkäufer sein, wenn er keine Gefühle lesen kann?
Letzteres wurde durch Adam Grant untersucht, und er fand heraus, dass das Ergebnis eines klassischen Intelligenztests deutlich höher mit beruflichem Erfolg, sprich: erzielten Umsätzen, korrelierte als die Ergebnisse von Tests zur Messung emotionaler Intelligenz (Emotional Intelligence Is Overrated). Mehr noch: „Across hundreds of studies of thousands of employees in 191 different jobs, emotional intelligence wasn’t consistently linked with better performance“ (The Dark Side of Emotional Intelligence).
Mit anderen Worten: Wer bei einem Intelligenztest gut abschneidet, hat in der Regel größere Aussichten, im Beruf erfolgreich zu sein. Das ist vielfach nachgewiesen. Für den EQ gilt das nicht, so schön das auch wäre. Zwar hat man bei einigen Berufen durchaus einen Zusammenhang gefunden (Verkäufer, Immobilienmakler, Call Center Agenten), wobei dieser mitunter sogar negativ war (Wissenschaftler, Buchhalter), aber dieser ist eher schwach.
EQ sagt keinen beruflichen Erfolg voraus
Das beweist zunächst nur, dass das, was die Tests messen, nicht sonderlich hoch mit beruflichem Erfolg korreliert. Es kann auch bedeuten, dass uns bis jetzt die Möglichkeiten fehlen, so etwas wie emotionale Intelligenz zu erfassen. Denn anders als bei Rechenaufgaben, bei denen die Addition zweier Zahlen stets zum gleichen Ergebnis führt, hängt die Interpretation eines Gesichtsausdrucks von vielen Dingen ab. Zum Beispiel vom Kontext – je nach sozialer Situation oder Verfassung des Wahrnehmenden dürfte das Ergebnis sehr unterschiedlich ausfallen. Insofern stellt sich die Frage, was Tests zum EQ wohl tatsächlich messen.
Zum anderen ist die Hypothese, dass so etwas wie emotionale Kompetenz im Job hilfreich ist, fragwürdig. An einem Beispiel: Warum sollte die Kontrolle der eigenen Emotionen sich immer positiv auf den Erfolg einer Handlung auswirken? Manchmal kann es ungemein hilfreich sein, seinen Emotionen spontan freien Lauf zu lassen. Das hat wieder mit dem Kontext, z.B. der Unternehmenskultur, zu tun, als auch mit den Kollegen oder Mitarbeitern. Diese schätzen es vielleicht sehr, wenn eine Führungskraft Gefühle zeigt und berechenbar ist.
Das soll nun nicht bedeuten, dass Empathie und Gefühlsregulation im Job keine Rollen spielen. Und beruflicher Erfolg ist letztlich ja auch eine Definitionssache. Nur taugt das Konzept und auch die „Messung“ der einzelnen Aspekte offenbar nicht sonderlich, um hieraus zuverlässige Aussagen ableiten zu können. Und das führt zur Empfehlung, entsprechenden Tests bei der Einschätzung von Eignung keine sonderlich große Beachtung zu schenken.