4. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Systematische Zweifel

PRAXIS: Wenn Top-Manager gemeinsam, z.B. in einem Vorstand, zu einer Entscheidung finden, dann sollte man meinen, dass diese dank ihrer geballten Kompetenz in der Regel gute Entscheidungen treffen. Ist aber nicht so, eher im Gegenteil. Sechs Fallen, aus denen auch andere Teams lernen können, und wie man sie umgeht.

  1. Selbstüberschätzung: In diesen Teams sitzen erfolgreiche Menschen, die schon deshalb von sich selbst überzeugt sind, weil sie es dahin geschafft haben. Und dann haben sie noch ähnlich erfolgreiche Menschen neben sich sitzen, da ist die Gefahr der Hybris groß.
  2. Bestätigung: Man sitzt in einem Kreis von Gleichen, mit ähnlichen Werten, Überzeugungen und Biografien. Da riskiert man kaum, diese erlebte Identität zu zerstören, indem man eine gegenteilige Meinung vertritt. Lieber nimmt man jede Information gefiltert wahr, so dass sie den gemeinsamen Beschluss bestätigen muss. Warnzeichen werden da eher als Sonderfall oder „irrelevant“ interpretiert. Die Autoren in der managerSeminare sprechen von „Hyperinklusion“ (Kirre im Kollektiv).
  3. Selbstdienlichkeit: Erfolge schreiben solche Teams (wie überhaupt erfolgreiche Menschen häufig) den eigenen Leistungen oder Entscheidungen zu. Misserfolge werden auf ungünstige Umstände oder auf andere (die Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden …) zurückgeführt. Damit bleibt die Entscheidung richtig und wird bestätigt.
  4. Rückschau: Der Blick in die Vergangenheit ist nie objektiv. Und bei Top-Teams wird er eher durch Erfolgsgeschichten getrübt. Also geht man davon aus, dass eine Entscheidung wohl kaum falsch sein kann, weil man in der Vergangenheit ja auch meist richtig gelegen hat. Also bleibt man bei dem „bewährten“ Verfahren, auch wenn es sich vielleicht überholt hat.
  5. Aktion: Top-Teams tendieren dazu, Dringlichkeit zu überschätzen und entsprechende schnell zu agieren. Sie nehmen sich weniger Zeit zum Nachdenken und Reflektieren. Die aktuelle Auffassung, dass die „Schnellen die Langsamen fressen“ und im Zweifelsfall Agieren besser als Abwarten ist, dürfte den Trend noch verstärken.
  6. Autorität: Man sollte es nicht glauben, aber gerade in Top-Teams schaut die zweite Ebene am Ende doch auf die Nr. 1: Was der Big Boss sagt, hat deutlich mehr Gewicht, er muss es ja schließlich wissen und auch verantworten. Er fühlt sich damit noch wichtiger, und der Rest bekommt dafür Sicherheit.

6 Fallen – und nun?

Der Standard-Tipp: Sich der sechs Fallen bewusst sein. Was zwar gut gemeint ist, aber in der Praxis keine Rolle spielen wird. Wie sollte das auch aussehen? „Meine Damen und Herren, bevor wir zur Entscheidung schreiten, hier noch mal die sechs typischen Fallen. Sind diese Ihnen bewusst? Dann mal los!“ Im Ernst, es wäre ja durchaus denkbar, dass man ins Besprechungszimmer eine gerahmte Ermahnung hängt, auf der diese Stichworte zu lesen sind. Aber können sie sich vorstellen, dass ein Vorstand sich sowas vor die Nase hängt?

Dann hilft schon eher, systematisch für Zweifel zu sorgen. Z.B. mit dieser Übung: Nach der Diskussion und vor der eigentlichen Entscheidung folgt als eigenständiger Tagesordnungspunkt: „Der neue CEO.“ Es wird gefragt: Angenommen, wir hätten einen neuen CEO, der sich unsere Diskusson angehört hat: Wie würde er die Situation bewerten? Welche Risiken würde er sehen? Welche Informationen würde er noch benötigen? Und welche Fragen würde er stellen?

Oder wie wäre es mit der „Pre-Mortem-Methode“: Das Team stellt sich vor, der Beschluss führt zum Scheitern und überlegt dann, welche Gründe wohl zu diesem Scheitern geführt haben könnten.

Beide Methoden setzen aber voraus, dass man sich Zeit nimmt. Und dass man überhaupt in Erwägung zieht, sich irren zu können.

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