REZENSION: Sonja Zillner / Bernhard Krusche – Systemisches Innovationsmanagement. Grundlagen – Strategien – Instrumente. Schäffer-Poeschel 2012.
Systemik und Innovation sind zwei Begriffe, die beide schon für sich Aufmerksamkeit erregen. Hier treten sie im Doppelpack auf – ohne gleich als Pleonasmus zu erscheinen. Bringt der systemische Blick neue Einsichten bezüglich Innovation?
Auf jeden Fall, denn nichts liegt dem systemischen Denken ferner als falsche Simplifizierungen. Dieses Buch ist also keine Toolbox mit einfachen Rezepten, die man bloß nachkochen muss, auch wenn sich diverse Tools im Buch finden. Die Autoren weigern sich, Organisationen und organisationale Prozesse nach dem trivialen Maschinenmodell zu konzipieren; wenn sie auch mit einem Phasenmodell aufwarten.
Grundlagen und vier Spielarten des Innovierens
Das Buch ist zweigeteilt. Im ersten Teil (Grundlagen) bekommt die Leserschaft eine Einleitung in das systemische Gedankengut und in Dimensionen des Innovierens. Im Anschluss erfährt sie, welche vier Spielarten des Innovierens das Autorenpaar anhand der Unterscheidungen personen- vs. prozessorientiert sowie Strukturierung (wenig/hoch) konzipiert. Fallbeispiele illustrieren typische Vertreter der jeweiligen Richtung. Mittels eines Portfolios wird dargelegt, was die jeweiligen Vor- bzw. Nachteile sind.
Der zweite Teil ist der Innovationshelix gewidmet. Dieses Modell – eine Eigenschöpfung des Autorenpaares – gliedert sich in drei Phasen (Exploring, Designing, Embedding), die jeweils in drei oder vier Schritte unterteilt sind. Zugleich werden die Phasen und Schritte drei Ebenen (operativ, strategisch, gestalterisch) zugeordnet, so dass eine kühne Schleifenarchitektur entsteht, die entfernt an eine Achterbahn erinnert. Damit geht der Ansatz deutlich über das handelsübliche Kreativitätsworkshopsetting hinaus. Diese meist dümmliche Beschwörung des kreativen Geistes mittels Gripsgymnastik ist zwar recht populär, aber zumeist nichts weiter als Strohfeuerfackelei. Bei Zillner und Krusche werden auch die Phasen vor und nach der eigentlichen Ideation (Ideenentwicklung) betrachtet. Denn was ist schon eine schöne Idee, wenn man sie nicht umsetzen und vermarkten kann?
Exploring, Designing, Embedding
Konsequenterweise lassen die Autoren das Exploring mit dem Störungsmanagement beginnen. Es sind die kleinen Verbesserungen, die oft große Wirkungen entfalten. Und es sind ebenfalls oft die schwachen Signale, die Großes ankündigen, wenn man denn beizeiten zuhören würde. Nun kann der Radar vieles aufzeichnen. Sinnvollerweise muss dieses aber priorisiert werden – und zwar strategisch (Schritt 2: Strategische Analyse, Schritt 3 Strategische Operationalisierung). Damit wird Innovationsfähigkeit früh und systematisch im Unternehmen verankert und fällt nicht plötzlich vom Himmel wie angeblich gar mancher geniale Geistesblitz. Hier hätten die Autoren auch schön Ausführungen zum Kontinuierlichen Verbesserungsprozess (KVP) machen können oder über Wissensmanagement, Social Media und allgemeines Netzwerken. Die Leserschaft dürfte dies vermissen.
Die Designig-Phase mit den vier Schritten Need-Finding, Problemdefinition, Ideation und Prototyping erinnert an geläufige Modelle, aber auch wieder an den PDCA-Zyklus, wie er im KVP genutzt wird. Die präsentierten Tools enttäuschen überwiegend. So wird beispielsweise die „Mutter aller Kreativitätstechniken“, das Brainstorming, überflüssigerweise vorgestellt – würde es wenigstens kritisch diskutiert. Denn wir wissen inzwischen ja längst, dass diese klassische Variante gar nicht so optimal ist wie naiverweise gerne behauptet wird. TRIZ hingegen wird viel zu knapp präsentiert, die Methode hätte deutlich mehr Raum verdient. Ob es den Autoren nicht „systemisch“ genug ist?
Die Embedding-Phase widmet sich der Implementierung, dem Monitoring und der Auswertung der Erfahrungen. Dieser wichtige Teil, wie schafft man es, dass das Neue am Leben bleibt, wirkt eher trocken und projektmanagementmäßig. So hätte man zum Thema Diffusion von Innovationen doch Spannendes berichten können.
Führung
Das abschließende Kapitel zu „Führung“ bildet die Klammer zu den drei Phasen, ist aber viel zu schmal geraten. Es reicht eben nicht, Führung als Kontextmanagement zu bezeichnen und weitere wichtige Begriffe wie Fehlerkultur bloß fallen zu lassen. Und das zeigt einen deutlichen Schwachpunkt dieses Buches auf: das Fehlen sozial- und organisationspsychologischen Know-hows. Diese wichtigen Infos, aber auch empirisch-validierten Erkenntnisse werden der Leserschaft vorenthalten. Konsequenterweise fehlen auch die Konzept KVP und Gruppenarbeit. Dies ist aber nicht nachvollziehbar.
So verbleibt das Buch – das über Strecken auch immer mal wieder, zwar wortgewaltig, aber mitunter langatmig erscheint – als interessante neuartige, aber eben auch eingeschränkt-spezielle Perspektive auf das Feld des Innovationsmanagements. Die Lektüre lohnt, aber die weiterer einschlägiger Bücher sollte man nicht scheuen.