11. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Das neue Universum

KRITIK: Erinnern Sie sich noch an „Second Life“? Das war einst das „nächste große Ding“ – die Menschen versammelten sich in virtuellen Welten, bzw. ihre Doppelgänger, schlossen Freundschaften, tätigten Geschäfte, erwarben Grundstücke – aber irgendwie ging der virtuellen Welt die Luft aus. Nun redet alle Welt vom Metaverse – ein neuer Anlauf. Was bedeutet das für Unternehmen?

Ich habe den Beitrag im Harvard Business Manager zuerst überblättert (Auf ins Metaverse), aber die Bilder und Überschriften haben mich dann doch neugierig gemacht. So viel habe ich verstanden: Mit Hilfe von Technik, z.B. VR-Brillen (Virtual Reality), tauchen wir ein in eine künstliche Umgebung. Im Grunde so, wie Gamer am Computer, die mit ganzen Armeen kämpfen, sich mit anderen zusammenschließen und den Weltraum erobern. Nur dass alles noch viel realistischer wirkt, weil wir das Gefühl haben, mittendrin zu sein. Das nennt man Immersion. Wir sehen die Achterbahnfahrt nicht nur auf einem Bildschirm, sondern haben das Gefühl, wir sitzen tatsächlich in einem Wagen und stürzen in den Abgrund. 


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Aber wem soll das was bringen, außer eben jenen erwähnten Gamern? Neben der virtuellen Umgebung gibt es zwei weitere Besonderheiten: Wir erhalten eine neue Identität und wir agieren miteinander. Wir begegnen in dieser Welt anderen Teilnehmern. „Das tun wir doch jetzt schon,“ werden Sie sagen. Per Skype oder Zoom oder über welche Videokonferenzsysteme auch immer. Nur lassen wir uns im Metaverse durch Avatare vertreten. Was das bringen soll, habe ich mich gefragt. Ich kann mich doch mit meinem realen Abbild per Videokonferenz mit Menschen treffen, warum sollen sie einen virtuellen Vertreter von mir sehen statt mein wahres Gesicht?

Unterwegs im Metaverse

Weil man im Metaverse eben nicht nur miteinander spricht, sondern auch etwas gemeinsam erlebt. Echt jetzt? Hier der Versuch, das zu beschreiben: Ich setze mir die VR-Brille auf und befinde mich in einem Besprechungsraum. Ich wende den Kopf nach links, dort sitzt Kollege Bill bzw. sein Stellvertreter und winkt mir zu. Ich schaue nach rechts, da blickt mich mein Chef an und runzelt die virtuellen Augenbrauen. Offenbar habe ich meinen Avatar zu grell angezogen, ich werde beim nächsten Mal einen dezenteren Anzug tragen. Womit wir übrigens bei einem wesentlichen Versprechen sind, das die Industrie besonders interessiert: Im Metaverse werden die Menschen virtuelles Zeugs kaufen, z.B. die Kleidung für ihren Avatar. Glauben Sie nicht?

Schauen wir weiter: Ich tummle mich also mit den Kollegen auf der Besprechung, in der Pause gehe ich mit ihnen in die Kantine, die natürlich hochmodern ausgestattet ist, oder besonders exotisch, oder wie ein englischer Herrenclub – ganz nach Belieben, auch für diese Ausstattung werden die Unternehmen bezahlen. Ich kann mich aber auch mit Kollegen in den virtuellen Grünanlagen treffen – wobei die „echten“ Personen irgendwo auf der Welt im Büro oder im Homeoffice hocken. In den Pausen findet der Smalltalk statt, ich knüpfe neue Kontakte, vernetze mich, bevor es zurück zum Meeting geht.

Besser als eine Videokonferenz?

Ist das wirklich besser als eine Videokonferenz? Halt, noch nicht urteilen. Ich kann mich mit den Kollegen auch an einer virtuellen Industrieanlage verabreden, sie mit ihnen gemeinsam durchschreiten, Details betrachten, Probleme identifizieren und lösen – und das vielleicht sogar bevor sie überhaupt in Bau geht. Und darin liegt das nächste Versprechen der neuen Welt: Anbieter begegnen ihren Kunden, ohne sie wirklich zu treffen, demonstrieren ihnen ihre Produkte und diese erwerben sie „vor Ort“ – entweder die neusten Sneakermodelle für ihre Avatare oder natürlich für sich selbst. 

Und schließlich: Kunden treffen Kunden – was schon passiert. Da schauen sich Menschen gemeinsam in einem virtuellen Kino Filme oder Serien an, nehmen per Avatar an einem Popkonzert teil und kaufen sich natürlich Fanartikel, die sie ihrem Avatar überstülpen. Gibt es alles schon.

Das Potenzial dieses virtuellen Marktes wird auf mehrere Billionen US-Dollar geschätzt, und darin liegt also der besondere Anreiz für Unternehmen, hier aktiv zu werden. Klar, ich frage mich, wie viele Menschen auf Dauer bereit sein werden, „Scheinprodukte“ zu erwerben, das alles macht den Eindruck, das es hier vor allem darum geht, neue Formen des Konsums anzukurbeln. Wobei aus Nachhaltigkeitsgesichtspunkten diese Art des „Verbrauchs“ vielleicht gar nicht so verkehrt ist.

Mitmachen müssen?

Die Autoren im Harvard Business Manager empfehlen den Managern, erste Schritte ins Metaversum zu unternehmen, sonst könnten andere ihnen enteilen. Dass man dafür Mitarbeiter und Kunden mit den VR-Brillen ausstatten muss und erste virtuelle Umgebungen erstellen sollte, stellt angeblich keine allzu große Investition dar.

Sicher, die Avatare wirken noch ein wenig albern, in den Abbildungen bestehen sie aus Oberkörpern, die Hände schweben irgendwo im Raum. Das wird sich sicher noch ändern, daran zweifle ich nicht. Warum die Eintrittsbarrieren größer werden und man sich beeilen muss, verstehe ich allerdings nicht. Das mag der Fall sein, wenn man virtuelle Produkte verkaufen will, aber ansonsten könnte ich mir vorstellen, dass es auch nicht verkehrt ist, ein wenig abzuwarten.

Sollten Sie immer noch extrem skeptisch sein – ich bin nachdenklich geworden bei dem folgenden Beispiel: Es gibt eine Plattform, auf der man virtuelles Minigolf spielen kann. Ein Forscher, der seinen kranken Vater wegen der Pandemie nicht besuchen konnte, schenkte diesem eine VR-Brille und traf sich mit ihm bis zu dessen Tod jede Woche zum Minigolfen. Das mag kitschig klingen – aber etwas gemeinsam zu unternehmen, ist sicher noch mal etwas anderes als wöchentliche Gespräche per Zoom. Ich bleibe also gespannt-skeptisch.

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