INSPIRATION: Die Wirtschaftswoche hat ein ganzes Heft den deutschen Weltmarktführern gewidmet und darin auch den Übergang auf die neue Generation thematisiert. Es zeigt sich mal wieder: Es gibt nicht das einzig wahre Modell – nur wertvolle Anregungen.
Eine Unternehmerin übernahm die Firma von ihrem Mann, der bei einem Unfall verstarb (Die fünf Regeln der Übergabe). Statt es zu verkaufen, stellt sie einen Geschäftsführer ein und geht in den Beirat. Sie arbeitet sich in die Unterlagen ein und findet ein Unternehmenstestament. Dort hat ihr Mann festgehalten, wie es mit seiner Firma weitergehen soll, inklusive Produktstrategie und Expansionspläne. Für sie genau das, was sie benötigt, um in seine Fußstapfen zu treten. Und sie setzt kurze Zeit später ein ähnliches Testament auf.
Nun hat sie die Firma an ihre Kinder übertragen, zusammen mit ihrer Tochter erklärt sie in dem Interview, was sie für einen solchen Übergang wichtig findet:
- Früh vorsorgen, z.B. mit einem solchen Testament. Das fällt schwer, denn wer beschäftigt sich gern mit seinem eigenen Ende?
- Die Kinder nicht zwingen – ihre Kinder gingen ihren eigenen Weg, sie hat sie auch nie in die Probleme und Aufgaben der Firma eingebunden, sondern sich darum dann gekümmert, wenn die Kinder im Bett oder außer Haus waren. Sie wollte nicht, dass sich ihre Kinder über die Firma definieren.
- Behutsam integrieren – die Kinder sind nach und nach eingestiegen, wenn Führungskräfte ohnehin aus dem Unternehmen ausgeschieden sind. Niemandem wurde gekündigt, weil jetzt die Kinder an der Reihe waren.
- Neu kennen lernen. Als beide Kinder eingestiegen waren, haben sie sich mit einem Coach zusammen gesetzt und Rahmenbedingungen für die Zusammenarbeit vereinbart. Geschwister sein ist das eine, Geschäftspartner etwas anderes.
- Genau aufteilen und loslassen – auch als die Mutter noch im Amt war, hatte jeder der drei klar voneinnander getrennte Aufgabenbereiche. Sie teilten sich zwar ein Büro mit drei Schreibtischen, aber jeder hatte seine Rolle. Was bedingte, dass die Mutter Aufgaben abgeben und auch loslassen konnte. Bis sie schließlich alle Aufgaben abgab und dann auch konsequent ausstieg.
Klingt sehr bodenständig und nach viel gesundem Menschenverstand. Und ist natürlich nicht auf jedes Familienunternehmen übertragbar. So berichtet ein Miele-Gesellschafter und Urenkel eines der Gründer von Miele, wie dort die Spielregeln für den Einstieg eines Familienmitglieds lauten („Die Firma ist kein Versorgungsinstitut“). Es muss die gleichen Qualitäten nachweisen wie ein externer Kandidat, nämlich ein Studium in angemessener Zeit abschließen, mindestens eine Fremdsprache fließend sprechen, fünf Jahre in einem anderen Unternehmen arbeiten und Führungserfahrungen nachweisen. Und dann wird es „noch von zwei Personalberatern gegrillt„. Die bewerten dann, ob der Kandidat passt.
Das soll prima funktionieren – so gut, dass es darüber noch nie Streit gab. Wobei – wenn ich es richtig verstehe, sind er und noch ein Familienmitglied die einzigen Gesellschafter, die für die Firma arbeiten. Soll das heißen, sonst hat es noch niemand geschafft, die Kriterien zu erfüllen? Bemerkenswert auf jeden Fall, dass bisher „alle Entscheidungen in der Gesellschafterversammlung… und in der Geschäftsführung einstimmig getroffen“ wurden.
Wie so etwas möglich ist, fragen die Redakteure zu Recht. Die Antwort: Miele ist eine Marke, die jeder kennt und die ein hohes Ansehen genießt. Darauf ist man stolz und „Erfolg ist bekanntlich ein guter Leim„. Es scheint mir aber mehr zu sein als bloßer Erfolg. Den haben auch andere Familienunternehmen, und dennoch gibt und gab es mächtigen Zwist. Veilleicht sind es die klaren Regeln und die Transparenz, die die 80 Gesellschafter bei Laune halten. Sehr beeindruckend.