27. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Umkrempeln

INSPIRATION: Ich verdrehe immer die Augen, wenn ein Beitrag mit einem Satz wie „Beständig ist nur der Wandel“ beginnt. Zum einen, weil das Thema arg überstrapaziert wird. Zum anderen, weil ich es nicht so erlebe. Vieles bleibt wie es war. Bei einem Mittelständler in Bayern allerdings nicht. Anstrengend für die Mitarbeiter. Und spannend (Der Umkrempler). Es geht um den Großhändler Felderer. Er versorgt Handwerker mit allem Zubehör in Lüftungen. Alles andere als interessant, sagt der Chef selbst: „Lüftungstechnik interessiert ja nicht mal mich.“

Vielleicht ist er ja genau deshalb so eifrig dabei, Dinge ständig in Frage zu stellen. Er sieht sich selbst als „Zerstörer bequemer Gewissheiten.“ Das einzige, was er nicht in Frage stellt, ist das Kerngeschäft. Und das sehr konsequent. Lüftungen werden, wenn man mal genauer darüber nachdenkt, nahezu überall gebraucht. In welchem Gebäude gibt es keine Lüftungs- oder Klimageräte? So ähnlich wie Sanitärgegenstände – ohne geht nicht. Aber anders als andere Großhändler, die eben sowohl Sanitär- aus auch Lüftungszubehör im Sortiment führen, gibt es bei Felderer eben nur zweiteres.


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Gegen den Strom

Auch sonst ist das Unternehmen etwas anders. Man schwimmt gerne gegen den Strom. Da wird zum Beispiel auf der Webseite dreist verkündet: „Uns braucht niemand!“. Aktuell will man weg von der „Amazon-Prime-Mentatlität“. Während überall bestellt und sofort geliefert wird, auch mal gerne mehrmals am Tag, stellt Felderer um auf Sammel-Bestellungen. Dabei war es eben dieses Unternehmen, das in der Branche die Expresslieferung eingeführt hatte. Während andere Lieferzeiten von zwei bis sechs Wochen hatten, lieferte Felderer schon Anfang der 90er Jahre innerhalb von 60 Minuten. Was dazu führte, dass die Bauunternehmen sich die Teile eben nicht auf Vorrat irgendwo hinlegten, sondern sich das Zubehör direkt zur Baustelle fahren ließen. 

Heute, so meint der  Firmenchef, ist das nicht mehr zeitgemäß. Einmal weil es inzwischen alle machen, es also kein Alleinstellungsmerkmal mehr ist. Zum anderen, weil es allein schon aus ökologischen Gründen wenig Sinn ergibt, zehn Teile an fünf Tagen statt zehn Teile an zwei Tagen zu versenden. 

Weitere ungewöhnliche Entscheidungen: Als die Pandemie einsetzte und viele Mitarbeiter von zu Hause arbeiteten, strich die Personalleiterin die Präsenzpflicht, aber auch die Hälfte der Büroarbeitsplätze und richtete ein flexibles Sitzkonzept ein.

Gewisse Teile für große Gebäude sind so groß, dass sie nicht ins Lager des Großhändlers passen, sie werden normalerweise vom Hersteller direkt geliefert. Also entschied man bei Felderer, diese Teile selbst zu produzieren. Die Branche schüttelte den Kopf, aber inzwischen sind auch andere Großhändler dazu übergegangen, selbst zu produzieren.

Kürzlich hat man auch den Außendienst abgeschafft. Der Kunde ist ohnehin eher genervt, wenn er von Firmenvertretern vollgequatscht wird, einen solchen Besuch gibt es jetzt nur noch in der Planungsphase eines neuen Projektes. Ansonsten werden die Kunden vom Innendienst betreut. Ob das funktioniert? Man wird sehen, ansonsten macht man es eben wieder neu.

Witzige Metapher: Der Chef spielt mit seinem Unternehmen wie mit einem Jenga-Turm: Ständig zieht er irgendwo ein Stäbchen raus und legt es oben auf. So wächst der Turm – wenn er nicht kippt. Letzteres scheint noch nicht passiert zu sein, und – siehe oben – anders als beim Jenga-Turm kann man Entscheidungen ja auch wieder rückgängig machen.

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