11. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Augen auf beim Modenkauf

INSPIRATION: Wenn der Hahn kräht auf dem Mist, ändert sich das Wetter. Oder es bleibt, wie es ist. – Bleibt bloß Ernüchterung als Fazit zu neuen Organisationsansätzen wie New Work, Agilität und Co.? Berater ziehen Bilanz.

Das ist doch eine pfiffige Idee: Drei Autoren geben ein Buch heraus (New Organizing). Es geht darum, „wie Großorganisationen Agilität, Holacracy & Co. einführen – und was man daraus lernen kann“ – so der Untertitel. Das Buch ist im Jahr 2021 erschienen. Aber man kann sich leicht vorstellen, dass die Vorarbeiten dazu einige Zeit in Anspruch genommen haben. Denn der Hintergrund ist, dass die Beratungscompany Simon Weber Friends (SWF) auf die Idee kam, ein Forschungsprojekt zu initiieren. Und das war im Jahr 2018. Es war „die pure Neugierde, hinter die Kulissen von New Work, Agilität und der vielfältigen Varianten innovativer Arbeitsmodelle zu schauen“, die die Herausgeber seinerzeit als Motiv benannten.


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„Wir, drei systemische Organisationsberater von Simon Weber Friends in Heidelberg, haben einen analytischen, zweiten Blick auf die 13 Fallstudien geworfen, die in dem Fachbuch (…) veröffentlicht wurden.“ Das klingt, als ob dieser „zweite Blick“ heute erfolgt (Blinde Flecken). Doch findet er sich schon als Schlusskapitel in besagtem Buch. Insofern: pfiffig – man könnte es auch Verkaufsförderung nennen.

Eine Metaanalyse

Trotzdem ist es ein interessanter Blick, den die Leserschaft da teilen kann. Denn es geht um vier Aspekte, eine Metaanalyse über die 13 plus 1 (hybride) Fallstudien hinweg, die kleine Forscherteams in Interviews mit Unternehmensvertretern zusammengestellt haben. – Wobei man schon die grundsätzliche und ketzerische Frage stellen darf: Wozu die Arbeit mit den Interviews und die 250 Seiten Fallstudien, wenn sich die Quintessenz dann auf wenigen Seiten manifestieren kann. Nun denn, hier die Metaanalyse: Organisationstrivialisierung, Führungsvergessenheit, Teamentkopplung und Beratungsvergessenheit. Oder als Imperative vorgetragen:

Das Wesen von Organisationen nicht trivialisieren: Neue Organisationsansätze können wichtige Impulse geben. Sie kommen aber in Organisationen, die immer schon existieren. Das sind gewachsene soziale Gebilde, die sind in Strategien und vorhandene Routinen eingebettet. Wer denkt, er könne mal eben – weil: neue Heilslehre – einen kompletten Betriebssystemwechsel vornehmen, irrt. Weil er trivialisiert. „Es kommt in der Praxis immer zu einer Koexistenz von Neuem und Bewährtem.“ Mal laufen die Ansätze produktiv nebeneinander, mal gibt es Konflikte. All das muss bearbeitet und balanciert werden.

Relevante Führungsfunktionen nicht vergessen: Den Preis der Trivialisierung zahlen oft die Führungskräfte. Insbesondere, wenn sie das Top-Management allein lässt im Zwischenreich (oder Niemandsland) zweier Logiken. Einerseits sollen sie Selbstorganisation forcieren. Andererseits werden sie dafür verantwortlich gemacht, wenn diese noch nicht so toll funktioniert und die Leistungskennzahlen schlecht aussehen. Zwischen Reingrätschen und Raushalten – das muss bearbeitet und balanciert werden.

Teams und Organisation nicht entkoppeln: Das Neue bricht sich zumeist in den Teams Bahn. Und funktioniert dort auch oftmals recht gut. Darüber verliert man leicht den Überblick, gerät das große Ganze aus dem Blick. „Werden in neuen Organisationsansätzen Teams oder Teamarbeit als Gegenmodell zur Organisation gedacht, geraten gerade in größeren Unternehmen existenziell wichtige Fragen der Kopplung von Organisations- und Teamlogiken aus dem Blick.“

Den Nutzen von Beratung nicht ignorieren: Oft stürmen Teams vom Shop Floor vor und machen einfach mal. Das ist ok. Aber leider überheben sie sich gerne. Dabei könnten sie von Beratung (interner wie externer) profitieren. Und zwar nicht nur von der Rolle eines „Scrum Masters“ (Agiler Beipackzettel), sondern von einer Beratung, die den breiteren Blick hat. „Es braucht auch zukünftig Orte und Formen, in denen Unternehmen zu gesamthaft Beobachtenden zweiter Ordnung ihres eigenen Veränderungsprozesses werden.“

Das Kind nicht mit dem Bade ausschütten

Nun erscheinen mir diese Ratschläge nicht neu. Die hätte man auch schon vor 30 Jahren geben können. Weil sie auch nicht spezifisch mit Agilität verknüpft sind. Auf der anderen Seite muss man den Autoren zustimmen: In den letzten Jahren ließ sich eine „Semantik“ vernehmen, „die stark auf Selbstorganisation, Demokratisierung, Gleichheit und Sinnerfüllung abzielt“. Und zwar flächendeckend und ohne Unterschiede zu machen. Oftmals gar in Form einer Erweckungspredigt. Auch das ist schon kritisiert worden (Agilität mit Stützrädern).

Doch Organisationen benötigen mehr als Selbstorganisation, Sinn, Netzwerk, Experimente, Transparenz. Solche Parolen sind einseitig. Es braucht auch den Rahmen (Organisation) für Selbstorganisation, damit sie gut funktionieren kann. Deshalb muss es letztlich um ein Management von Paradoxien gehen (Wir Seiltänzer). „Paradoxien treten pragmatisch auf, wenn zwei Handlungsanforderungen gleichzeitig gelten, die sich widersprechen.“ Beispielsweise Zentralisierung und Dezentralisierung. Beides – einseitig betrieben – ist ineffektiv. Je nach Lage, nach Ort und Zeit, muss das Management zwischen beiden Prinzipien balancieren. Und dazu liefern die Autoren abschließend einige Empfehlungen:

  • Entdecke Paradoxien! Es gibt mehr als Entweder und Oder auf der Welt.
  • Vermeide Eindeutigkeit! Arbeite mit dem unauflösbaren Konflikt.
  • Erkenne die eigenen Muster! Es gibt diverse Bewältigungsmuster.

Was also tun mit neuen Ansätzen wie Agilität? „Nutze die Ansätze, aber folge ihnen nicht!“ – Man könnte es auch weniger dramatisch ausdrücken: Augen auf beim Managementmodenkauf … (Agilität: Das Paradies hat heute geschlossen).

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