3. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Wir Seiltänzer

INSPIRATION: Ist die Postmoderne das Zeitalter von Paradoxien? Oder gab es die schon immer, man fand es nur nicht außergewöhnlich? Vielleicht ist es so: Wir haben heute unglaublich ausgebuffte Technik und denken, wir müssten nun zunehmend alles in den Griff bekommen. Doch was wir ernten, ist Komplexität. Irgendwie komisch.

So ein Heft-Titel „Paradoxien“ weckt jedenfalls Aufmerksamkeit. Bei genauerem Hinsehen erweist er sich jedoch als ein dicker Omnibus, in dem recht viele unterschiedliche Personen Platz genommen haben: Philosophen, Praktiker und Plaudertaschen. Konzentrieren wir uns aufs Wesentliche. Die Literatur, so die Autoren (Wozu Paradoxien?), beschert uns drei verschiedene Ansätze:


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  • Paradoxien als widersprüchliche Erwartungen – Effizienz und Innovation oder Wettbewerb und Kooperation sind typische Beispiele dafür, dass man nicht alles haben kann.
  • Paradoxien als Widerspruch zwischen Intention und Ergebnis – „Ich bin ein Teil von jener Kraft, Die stets das Gute will und stets das Böse schafft“, heißt es in Goethes Faust.
  • Paradoxien als Urzustand in Organisationen – Sie werden (nach Luhmann) gelöst durch Entscheidungen; „Basta!“ sagt die Führungskraft.

Was tun?

Anders als Probleme kann man Paradoxien nicht zum Verschwinden bringen. Man kann sie ignorieren, man kann nur auf eine Seite fokussieren, Synergien suchen oder den Kontext erweitern. Und wer es nicht schon längst geahnt hat, es gibt eine Anleitung dafür: das Tetralemma (Gut gemeint – über Verschlimmbesserungen). Statt im Dilemma des Entweder-oder hängen zu bleiben, könnte man sich das Sowohl-Als-auch oder das Weder-noch anschauen. Oder eben noch eine Ebene höher auf die Metaebene klettern und „All das nicht, aber auch das nicht“ betrachten. Das Tetralemma als Generalschlüssel. Nicht nur für den Einzelnen, sondern auch für die Teamarbeit. Teams bekommen damit die Erlaubnis zur ausgiebigen Kommunikation über verschiedene Perspektiven und zum Experimentieren.

Es wundert nicht, dass man im Heft wenig später ein Interview mit dem Schöpfer des Konzepts, dem Logikprofessor Matthias Varga von Kibéd, lesen kann (Dynamische Elemente in einem statischen System). Ein inspirierender Text, der allerdings eher ins philosophische Oberseminar passen mag. Viel konkreter und praktischer liest sich das Interview mit Barry Johnson (Von Polaritäten und Problemen). Wenn er eine Polarität mit dem Ein- und Ausatmen erklärt, wird unmittelbar deutlich, worum es geht. Und dass man mit der klassischen Problemlösung (Wie beim Röntgen: Jetzt bitte nicht mehr atmen!) nicht weiterkommt. „Aus Perspektive der Polarität ist jede Veränderungsmaßnahme Teil eines Unendlichkeitsschleifensystems.“ Barry Johnson präsentiert folglich ebenfalls ein dem Tetralemma höchstähnliches, dynamisches Modell. Wobei er – interessanterweise – auf Werte fokussiert. Wir brauchen immer ein Wertepaar zum guten Leben, sonst verrennen wir uns in Sackgassen.

Das erinnert sehr an das Konzept Wertequadrat von Schulz von Thun (Tendenz zur Verrohung), das leider im Beitrag nicht erwähnt wird. Auch dieser Ansatz funktioniert also wie ein Generalschlüssel: Finde den ausgeschlossenen Wert und integriere ihn dynamisch in deinem Leben. Ob nun das Quadrat, die liegende Acht oder – mir würde da noch das Yin-Yang-Symbol einfallen – als Form hier gewählt werden mag – es geht nie um eine statische Sichtweise, sondern immer um eine dynamische Umgangsform mit Paradoxien.

Die Metapher vom Tauziehen

Sehr unterhaltsam erläutert Wendy Smith im Interview ihre Erkenntnisse zum Thema Paradoxien (Faszination Paradoxien). Sie präsentiert als erstes die Metapher vom Tauziehen, um dieses Bild dann sogleich in verschiedene Schnappschüsse aufzulösen:

  • „Im Kaninchenbau feststecken“: Hier hat man sich in eine Alternative verrannt.
  • „Abrissbirne“: Das Pendel schlägt brutal zur anderen Seite aus.
  • „Grabenkämpfe“: Hier sieht man mehrere Player in ihren Schützengräben verbarrikadiert sitzen.

Auch diese Autorin sieht in der Metaebene, in der Integration den Ausweg. Und sie bringt dafür noch eine wunderschöne Metapher in Anschlag: die des Seiltanzes. „Ein Seiltänzer muss sich auf das Endziel in der Ferne konzentrieren. Um dort hin zu gelangen, ist er nie vollständig auf dem Seil balanciert. Vielmehr sind Drahtseilakrobat*innen ständig am Ausbalancieren.“

So viele, teilweise anspruchsvolle Beiträge in diesem Heft, die – wenn man es so betrachten will – auf das zentrale Thema Haltung hinauslaufen. Und Haltung hat man nicht, auch wenn dieses oft in der Managementliteratur suggeriert wird, um Haltung ringt man, Haltung gewinnt man – stets aufs Neue.

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