30. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Abgewählt

INSPIRATION: Die Nachricht hätte doch mehr Aufmerksamkeit verdient, oder? Bei Haufe Umantis, einem Vorzeigeunternehmen in Sachen „Unternehmensdemokratie“, werden Führungskräfte wieder von oben eingesetzt. Das Modell der jährlichen Wahl habe sich nicht bewährt. Und überhaupt brauche man in Krisenzeiten eher wieder den klassischen Führungstil. Ach ja?

„Schade“, war meine erste Reaktion, als ich die kurze Nachricht in der wirtschaft + weiterbildung las (Chefs werden nicht mehr gewählt). Der Hinweis bezieht sich auf einen Beitrag in der FAZ (Demokratie im Büro), in dem auch ein BWL-Professor zu Wort kommt. Er wird zitiert mit den Worten „Gerade in Zeiten von Kurzarbeit oder womöglich betriebsbedingten Kündigungen seien ‚klassische Führungsstile mit einem starken Mann oder einer starken Frau an der Spitze‘ das Mittel der Wahl.“ Außerdem sei er „überzeugt, dass Demokratie im Büro nur als Element funktionieren kann, als Führungsstil, nicht als Gesamtsystem“.


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Stakeholder-Management

Ein interessanter Aspekt: Wenn Führungskräfte von ihren Mitarbeitern gewählt werden, dann ist das deshalb problematisch, weil sie ja nicht nur Mitarbeitern dienen, sondern allen möglichen Stakeholdern: Vorstand, Kunden, Lieferanten, Inhabern, Kollegen usw. Konsequenter Weise müsste man diese dann auch alle mitwählen lassen. Sind allein die Mitarbeiter aussschlaggebend, müssten die gewählten Führungskräfte es ja nur dieser Gruppe immer Recht machen. Ihnen zum Beispiel Wahlgeschenke machen, alle möglichen Dinge versprechen, ihnen nach dem Mund reden.

Bei Haufe Umantis scheint die Geschichte aber aus einem anderen Grund schief gegangen zu sein. Angeblich hätten die Mitarbeiter Kritik nicht offen formuliert, sondern einfach abgewartet, bis das Jahr rum war, nach dem Motto: Ich muss ja keinen Konflikt eingehen, ich kann sie ja einfach wieder abwählen. Und die gewählten Chefs hatten Probleme, unangenehme Entscheidungen zu treffen, die aber gerade in Krisenzeiten notwendig sind. Also zurück zur alten Variante: Führungskräfte werden von oben eingesetzt.

Denkfehler

Der Denkfehler ist hier nicht die Wahl, sondern die Rolle der Führungskraft selbst. Denkt man das konsequent durch, dann müsste einem doch sofort klar werden, dass das „alte System“ (Chef benennt Chef) dazu führt, dass Vorgesetzte hier auch nur einem Stakeholder dienen: Ihrem Chef. Und sie werden alles daran setzen, es ihm Recht zu machen. Was natürlich einfacher ist: Statt sich die Meinung von 10 Mitarbeitern anzuhören und dann zu entscheiden, brauche ich doch nur den einen zu fragen und dann das tun, was dieser für richtig hält. Sind die Entscheidungen dann besser?

Nehmen wir das Beispiel der Krise: Eine Führungskraft muss Leute entlassen, die ihn vorher gewählt haben. Klar, dass er ein Problem kriegt. Im alten System muss er Leute entlassen und sein Chef klopft ihm auf die Schulter. Deshalb findet der BWL-Professor es sinnvoller, in Krisenzeiten auf „demokratische Formen“ zu verzichten.

Aber warum brauchen Menschen so etwas wie Führungskräfte, die ihnen die schwierigen Entscheidungen abnehmen? Das Witzige an der Geschichte ist, dass man bei Haufe Umantis jetzt auf ein System setzt, das jedem Mitarbeiter die Möglichkeit gibt, Entscheidungen zu treffen. Dabei muss er zwei Regeln einhalten: „Personen um Rat fragen, die sich mit der Materie auskennen, egal ob intern oder extern. Und alle, die im Unternehmen bedeutsam von der Entscheidung betroffen sind, dazu anhören.“ „Advice-System“ nennt sich das. Ob das auch bei unpopulären Entscheidungen gilt?

Tatsächlich wird so ein Schuh draus: Mit diesem Modell braucht man gar keine Führungskräfte, weder von oben eingesetzte noch von unten gewählte. Sagt auch der Umantis-Gründer: „Irgendwann möchte er Vorgesetzte komplett abschaffen.“ Klappt im Moment wohl nicht, denn was passiert bei den angesprochenen „unpopulären“ Entscheidungen – also in Krisen? Darf Mitarbeiter X auch ein solches Thema „besetzen“? Also z.B. Kollegen entlassen? Und muss die Führungskraft bei solchen Entscheidungen auch die anhören, die von der Entscheidung bedeutsam betroffen sind? Wäre interessant zu hinterfragen.

Mal abwarten, was uns die nächste Meldung über das demokratische Unternehmen Haufe Umantis bringt …

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