11. Dezember 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Plattform-Logik

KRITIK: Die Coaching-Plattformen sprießen aus dem Boden, die Anbieter sammeln Millionen ein, der Konkurrenzkampf um die große Kohle ist in vollem Gang. Was mit Büchern und Filmen klappt, sollte doch auch bei (Online-)Coaching funktionieren. Ich bin skeptisch. Wobei vieles davon abhängen wird, wie Unternehmen Coaching und Training in Zukunft organisieren werden.

Anlass für diesen Beitrag ist ein sehr anschaulicher Artikel in der wirtschaft + weiterbildung (Coachingprofession im Sog der Digitalisierung). Hier wird zunächst beschrieben, wie das mit dem Plattform-Geschäft funktioniert. Es beginnt mit einer Nische (wie z.B. Bücher), die Plattform-Betreiber schieben sich als Vermittler zwischen Anbieter und Kunde. Im Unterschied zum klassischen Laden bieten sie dabei den Vorteil, dass man von überall auf ihr Angebot zugreifen kann. Die Abwicklung ist einfach, alles geht schneller und auch kostengünstiger. Um bekannt zu werden, braucht es Referenzen und Kooperationen. Man muss erst einmal Anbieter (in diesem Fall die Coachs) dazu bewegen, sich zu präsentieren. Zu Beginn ist der Betreiber also abhängig von seinen Partnern.


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Das Geschäftsmodell

In der 2. Phase kehrt sich das um. Wo viele Anbieter versammelt sind, entsteht eine Sogwirkung. Man muss dabei sein, um wahrgenommen zu werden, nun sind die Anbieter abhängig von der Plattform. Und der Kunde ist ebenfalls abhängig, wenn er nicht selbst mühsam und lange nach dem geeigneten Anbieter suchen will, weil dieser sich der Plattform verweigert.

In der 3. Phase dehnt sich die Plattform exzessiv aus und verdrängt alle anderen. Zudem bietet sie jede Menge zusätzliche Produkte und Dienstleistungen an und macht sich unverzichtbar (bis vielleicht doch wieder eine andere und noch innovativere Plattform daherkommt, was mit wachsender Bedeutung des Platzhirsches immer schwieriger wird – siehe Amazon.)

Funktioniert das auch mit Coaching? Sieht fast so aus, wenn man – wie ich mit Erstaunen – liest, welche Summen in diesen Markt fließen. Tatsächlich bieten die Plattformen vor allem Unternehmen so einiges, was diese dann nicht mehr selbst erledigen müssen. Warum sollte ein Unternehmen noch einen eigenen Coach-Pool aufbauen, wenn eine Plattform ihm „maßgeschneidert“ per „Matching“ für jeden Mitarbeiter den richtigen Coach vermittelt? Und dazu noch den direkten Draht managt, die Abrechnung vereinfacht und außerdem Daten sammelt, aus denen man prima erkennen kann, wer wann wie oft und wie lange Coaching Anspruch genommen hat.

Dazu kommt: Die Plattformen stellen alle möglichen Materialien zur Verfügung. Dann kann der Coach seinem Coachee direkt im oder nach dem Coaching Aufgaben stellen, die dieser mithilfe des angebotenen Materials bis zum nächsten (virtuellen) Treffen bearbeitet. Mehr noch: Der Auftraggeber kann „via Plattform noch ein paar strategische Ziele in die Coaching-Prozesse einsteuern …“

Denkmuster umprogrammieren

Wie das aussieht, wird in einem anderen Beitrag erläutert (Per Telefon in zwölf Wochen zum neuen Mindset). Eine Coaching-Plattform mit einer „Chief Psychologist“ (spannender Titel, oder?) baut auf dem Konzetp der „Rational-Emotiven-Therapie“ nach Albert Ellis auf. Die Idee: Ein Unternehmen möchte das „Mindset“ seiner Mitarbeiter verändern, z.B. soll es kundenorientierter werden. Oder man möchte die digitale Transformation unterstützen. Dann wird ein Zwölf-Wochen-Programm aufgesetzt, das jeder Mitarbeiter durchläuft. Darin enthalten sind sechs Telefon-Coachings, hier werden die bestehenden Denkmuster erfasst, reflektiert und bei Bedarf eben geändert.

Hier wird deutlich, dass sich das Modell von Coaching ändert. Dank solcher Plattformen können Unternehmen jetzt JEDEM Mitarbeiter eine Art individuelles Training verpassen, um sie fit zu machen für die strategisch wichtigen Aufgaben. So wie man Mitarbeiter zu Produktschulungen schickt, werden sie eben jetzt „gecoacht“, um im Sinne der Unternehmensziele zu denken und zu handeln. So gesehen könnten sich diese Plattformen tatsächlich halten – wenn sich das denn mit dieser Art der Schulung bewährt.

Coaching als Produkt?

Damit wird man Trainings ersetzen, aber vermutlich eher nicht das klassische Coaching. Wer sich als Manager einen Coach sucht und ihn über die Plattform findet – warum sollte er sich später weiter über die Plattform an ihn wenden? Coaching wird ja nicht eingekauft wie ein Produkt, ein Musikstück oder ein Film, bei denen es egal ist, von wo aus man es bezieht. Coaching basiert auf funktionierenden Beziehungen. Und jeder Coach wäre ja bescheuert, wenn er nicht versucht, das Geschäft außerhalb der Plattform weiter zu führen.

Erfolgreiche Coachs werden sich von den Plattformen zurückziehen und über Empfehlungen direkt „vermittelt“. Es bleiben diejenigen, die das Massengeschäft abwickeln und hoffen, irgendwann darauf verzichten zu können. Schlimmer noch: Wer sich dann zu lange über eine Plattform vermarktet, wird den Ruf bekommen, eben nur das zu können als „Coach zweiter Wahl“. So wie man vermutlich auch keine Designer-Möbel oder Luxus-Auto auf Amazon kauft …

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