PRAXIS: „Nun sag‘, wie hast du’s mit der Religion?“ fragte einst Gretchen seinen Heinrich (Dr.) Faust. Und im übertragenden Sinn stehen solche Fragen auch in der Teamarbeit immer im Raum. – Und harren einer Antwort.
Offensichtlich ist der gute alte Fragebogen zur Arbeit im Team (FAT) von Simone Kauffeld in die Jahre gekommen. Ich fand ihn praktisch, weil damit die beiden fundamentalen Dimensionen Aufgaben- und Beziehungsorientierung („The forgotten ones,“ kommentierte das einmal der berühmte Metaanalytiker Timothy A. Judge) abgebildet wurden. Zudem war der FAT übersichtlich und schnell einsetzbar.
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Tja, nicht nur die IT, auch die Psychologie wird nicht müde, Dinge zu verbessern. Da haben wir doch wieder mal was gelernt! Denn in der Metaanalysenübersicht, die Autor Marc Solga (Das gemeinsame Tun reflektieren) präsentiert, taucht der FAT schon gar nicht mehr auf. Aus seiner Forschungsübersicht hat er ein sogenanntes Leitmodell abgeleitet: „Es soll Teams dabei helfen, schnell und unkompliziert Gestaltungsbedarfe und Verbesserungspotenziale zu erkennen.“ Damit rücken drei Dimensionen der Teamarbeit in den Fokus:
- Die mentalen Landkarten sorgen für die grobe Ausrichtung des Teams: Sinn und Zweck, Kundenerwartungen sowie Ziele. Aber auch für die prozesshafte Koordination: Rollen, Standards und Richtlinien. Hinzu kommen Wenn-Dann-Pläne, um schnell und flexibel auf außergewöhnliche Herausforderungen reagieren zu können.
- Das produktive Klima wird durch Kohäsion und Commitment bestimmt. Es braucht Vertrauen und psychologische Sicherheit sowie Zuversicht und Ziel-Commitment.
- Die Teamprozesse werden in drei Arten untergliedert: Übergangsprozesse (zwischen den Sprints), Umsetzungsprozesse (während eines Sprints) und interpersonelle Prozesse (Motivation, Emotionsregulation, Konfliktmanagement).
Landkarten und Klima
Kurz gesagt entstehen gemeinsame mentale Landkarten sowie Kohäsion und Commitment (als Aspekte des Teamklimas) in der alltäglichen Zusammenarbeit und wirken auf diese zurück.
Daran wird unmittelbar ersichtlich, dass wir inzwischen von agilen Arbeitsumgebungen als „dem Normalfall“ ausgehen. Aber meines Erachtens auch, dass man die Dimensionen des ollen Nuller-Jahre-FAT (Aufgaben- und Beziehungsorientierung), wenn man so will, natürlich schon auch im neuen Instrument wieder finden kann (Landkarten und Klima). Weshalb ich gerne gelegentlich lästernd kommentiere: Agilität = Gruppenarbeit „auf Koks“. Na ja, solche Witze nutzen sich schnell ab. Doch die Blüten, die der Agilitätshype treibt, sind eben auch nicht zu übersehen (Agilität: Das Paradies hat heute geschlossen).
Beipackzettel
Im Beitrag des Autors findet sich das Instrument (Assessment) abgedruckt. So dass der Anwender sich per Copy & Paste bedienen kann. Es fehlt noch der Beipackzettel: „Anders als in vielen Retrospektiven und Teamentwicklungsprozessen lässt das Assessment die Teilnehmenden aus einer Hubschrauberperspektive aufs große Ganze schauen. Es weitet den Blick und fokussiert nicht vorschnell auf erlebte Spannungen und Probleme.“
Solga liefert auch keine Norm- oder Benchmark-Daten (im Unterschied zum FAT). Man kann sich so nicht mit anderen (Unternehmen) vergleichen. Aber man kann natürlich eine Zeitreihenuntersuchung machen, also den Verlauf im eigenen Team monitoren.
Und – das empfinde ich recht angenehm – wir argumentieren hier auch nicht mit Persönlichkeitskategorien herum, wie das in anderen Modellen der (Standard-)Fall ist (Passender Typ). Das nenne ich mal einen Fortschritt! Und das wird vermutlich einige andere Anbieter im Feld, die genau damit ihr Geld verdienen, ärgern. Da des Autors „Assessment für die Zusammenarbeit in Teams“ hier als Open Source offeriert wird, könnte so Bewegung ins Spiel der Teamentwicklung kommen.