5. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Chamäleon sein

KRITIK: Führungskräfte sollen authentisch sein, wenn die Menschen ihnen folgen sollen. Aber Studien zeigen, dass diejenigen, die sich so geben wie sie sind, seltener Karriere machen. Wer sich hingegen anpasst, hat bessere Aussichten auf beruflichen Erfolg. Derjenige setzt sich durch, der am besten seine Rolle spielt. Wer hingegen seinen Emotionen freien Lauf lässt und stets sagt, was er denkt, dem bleibt in der Regel nur die Nebenrolle. Laut einer Studie (Amir Goldberg u.a.), bei der mehr als zehn Millionen e-Mails untersucht wurden, sind die Mitarbeiter besonders erfolgreich, die ihre Sprache der Unternehmenskultur anpassen.

Also lautet der Rat der Forscher: Flexibel und geschmeidig bleiben, ohne den festen Kern von Charaktermerkmalen zu verraten. Na, das klingt schwierig, oder? Man hat also durchaus Prinzipien, legt diese aber eher etwas locker aus und passt sie den Erwartungen der jeweiligen Organisation an.


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Vermutlich lasse ich mich nicht zum ersten Mal darüber aus, auch diesmal empfinde ich das Verständnis von Authentizität als seltsam (Sei alles, nur nicht du selbst). Hier wird mal wieder davon ausgegangen, dass derjenige besonders authentisch ist, der sich immer so gibt, wie er sich gerade fühlt. Der herumblökt, andere anpöbelt und das damit begründet, dass er nun mal so sei. Mit anderen Worten: Authentisch sein als Rechtfertigung nutzt, um schlechte Manieren beizubehalten. Dabei ist er nur schlecht erzogen.

Aber bedeutet das, man darf seine Gefühle nicht ausdrücken? Muss die Klappe halten, wenn der Chef einen zurechtweist? Nach oben immer brav nicken, wenn Widerspruch unerwünscht ist? Dass man damit vielleicht schneller Karriere macht, mag ja stimmen. Aber erntet man mit diesem Verhalten den Respekt von Mitarbeitern und Kollegen?

Einen Rat bekommen wir in dem Beitrag noch für den Fall, dass wir unsere Emotionen doch mal loswerden wollen. Dann sucht man sich eine „Insel der Echtheit“, einen Kreis von Menschen, in dem man auch mal ganz „man selbst“ sein darf.

Sehe ich nicht so. Mir ist auch klar, dass wir professionelle Rollen spielen. Und dass wir je nach Situation nicht alles aussprechen, was wir denken. Wenn ich in einem Vortrag sitze und mich fürchterlich langweile, dann muss ich nicht auffällig gähnen, ununterbrochen auf die Uhr starren oder sogar „Aufhören“ rufen. Aber muss ich so tun, als ob ich begeistert bin?

Der Unterschied zwischen uns und einem Schauspieler besteht doch darin, dass wir bei dem Menschen, der auf der Bühne steht, genau wissen, dass er einem Drehbuch folgt und jeder Satz, den er spricht, jede Regung, die er zeigt, einer Vorgabe folgt und kein eigener Ausdruck ist.

Und natürlich ist es gerade im professionellen Umfeld manchmal ähnlich: Wer in einem Unternehmen arbeitet, in dem Gefühlsäußerungen unerwünscht sind, der kontrolliert eben seine Gesichtszüge, egal, wie unappetitlich das ist, was ein anderer gerade von sich gibt. Und alle wissen, dass die Mimik keinesfalls das widerspiegelt, was sich dahinter abspielt. Niemand wird ja gezwungen, diese Rolle zu spielen bzw. das Engagement anzunehmen. Wenn sie den eigenen Grundwerten widerspricht, dann sollte man sie eben nicht annehmen. Ansonsten aber sollte man konsequent sein und sich so verhalten, wie es die Rolle erfordert.

ABER: Während es mich als Zuschauer in einem Theater nicht sonderlich interessiert, wie es dem Schauspieler hinter der Rolle gerade geht, weil ich durch sein Schauspiel vor allem unterhalten werden will, möchte ich im Alltag schon wissen, was von dem gezeigten Verhalten Rolle ist und was „echt“.

Soll heißen: Wenn jemand bei einem Vortrag begeistert applaudiert, dann möchte ich nicht, dass er in Wirklichkeit furchtbar angeödet ist. Natürlich möchte ich auch nicht, dass er demonstrativ einschläft. Was spricht denn dagegen, sich an gesellschaftliche Normen der Höflichkeit zu halten, anständig auf den Tisch zu klopfen, mir aber anschließend mitzuteilen, dass mein Vortrag in seinen Augen das Thema verfehlt hat und mit Details überfrachtet war?

Ist nicht gerade das angepasste Verhalten Ursache für Fehlentwicklungen (Dieselskandal)? Noch einmal: Für mich bedeutet authentisch sein, den eigenen Werten treu zu bleiben und sich dabei trotzdem an die Regeln des Anstandes und der Höflichkeit zu halten. Das mag zwar manchmal nicht ganz so leicht in Einklang zu bringen sein, aber ist auf jeden Fall machbar.

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