INSPIRATION: Ein Team braucht eine Hierarchie, sonst gibt es Chaos! So oder so ähnlich lauten stets die Argumente, wenn man eine Diskussion über Selbstorganisation startet. Da tut ein wenig Wissenschaftlichkeit gut. Eine Metaanalyse wertete 54 Studien aus und kam zu dem Schluss, dass die dysfunktionale Seite der Hierarchie überwiegt (Greer u.a.).
Ich gebe zu, das Eingangsstatement ist nicht ganz fair. In der Regel heißt es nicht: Teams brauchen Hierarchie, sondern Teams brauchen Führung. Aber ist damit auch etwas anderes gemeint? Ich habe den Eindruck, dass die Begriffe meist als Synonyme verwendet werden nach dem Motto: Es muss EINEN geben, der das Sagen hat. Sprich: In jedem Team gibt es jemanden, der die Entscheidung trifft. Das erwarten die Menschen auch (Wenn Mitarbeiter zu Mitarbeitenden werden). Mit anderen Worten: Es geht nicht ohne Hierarchie, und es ist in der Regel besser, die Führungspositionen auch „amtlich“ zu machen, sonst gibt es im Nu informelle Führer, und dann wird die Sache noch schlimmer.
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Die erwähnte Metaanalyse hat sich Petra Pflugfelder angeschaut (Wer ist wofür verantwortlich?). Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass „die Präsenz einer Hierarchie im Team eine negative Auswirkung auf Teameffektivität, gemessen an der Performance … und der Bereitschaft der Teammitglieder, in Zukunft Tiel dieses Teams zu bleiben“ hat. Dass dieses Ergebnis mein Bild des Menschen bestätigt, muss ich vermutlich hier nicht erwähnen.
Dysfunktionale Effekte
Interessant sind auch diese Erkenntnisse: Der dysfunktionale Effekt von Hierarchie ist noch stärker, wenn es verschiedene Ranggruppen (sprich Hierarchieebenen) gibt mit Interessenunterschieden, was Konflikte hervorruft. Weitere Faktoren, die die Probleme verstärken: „Starke Unterschiede in den Fähigkeiten der Teammitglieder, eine wechselnde Zusammensetzung des Teams und die Möglichkeit, die Hierarchie anzufechten, weil sie nicht als starr wahrgenommen wird.“
Gibt es auch positive Wirkungen von Hierarchie? Gibt es: Wenn die Aufgaben des Team nicht eindeutig sind, dann hat die Hierarchie einen positiven Effekt. Was jetzt nicht so wirklich verwunderlich ist. Wenn ich nicht weiß, worin meine Aufgabe besteht, brauche ich jemandem, der mir sagt, was ich zu tun habe.
Okay, das ist eine einseitige Darstellung, denn es gibt noch weitere Erkenntnisse, und die zeichnen ein etwas differenzierteres Bild: Je nach Phase, in denen sich ein Team befindet, kann Hierarchie durchaus nützlich sein. So z.B. am Anfang eines Projektes (wenn eben das Ziel und die Aufgaben noch nicht wirklich klar sind). Oder am Ende eines Projektes, wenn nicht klar ist, wie es nun weitergeht. Aber immer geht es um fehlende Klarheit (und nicht zum Beispiel um Komplexität, diese nämlich hat keine verstärkende Wirkung auf die positive Rolle von Hierarchie).
Natürlich gibt es noch viele andere Studien, so zeigt sich in einer, dass Hierarchie dann nützlich ist, wenn in einer leistungsbezogenen Kultur diejenigen, die am meisten leisten, auch mehr Einfluss haben und die Hierarchie auf Expertise beruht (Sanner / Bunderson). Leuchtet mir auch ein, ich hätte schon gerne, dass bei einer Operation derjenige das Sagen hat, der am meisten Ahnung vom Fach hat.
Wenn Klarheit fehlt
Also braucht man am Ende doch Hierarchien, erwarte ich nun als Kommentar. Aber braucht es vielleicht nicht nur mehr Klarheit bezüglich der Ziele von Teams, Abteilungen, Projekten und Organisationen? Wäre für mich die logischere Schlussfolgerung. Bleibt die Frage, wer für diese Klarheit sorgen soll. Und dann sind wir wieder bei den Hierarchien. Das ist nun blöd: Wir benötigen also „Führer“, die uns sagen müssen, wofür wir arbeiten, anschließend können wir allein loslaufen, bis zu dem Punkt, dass ein Ergebnis vorliegen, dann brauchen wir wieder einen „Führer“, der die Entscheidung trifft. Aber doch nur, wenn die Kriterien nicht klar sind, oder?
Wobei wir wieder beim gleichen Punkt angelangt sind: Hierarchie wird immer dann benötigt, wenn Klarheit fehlt. Warum schafft man dann nicht in Organisationen einfach für mehr Klarheit, statt Organigramme zu stricken?