INSPIRATION: Zwei Unternehmen, die unterschiedlicher nicht sein können, verzichten konsequent auf hierarchische Positionen und verteilen Führung auf mehrere Rollen. Beide stellten die Organisation nach einer frustrierenden Erkenntnis um.
Das eine Unternehmen wird immer wieder genannt, wenn es um Agilität geht. Der Internet-Telefonie-Anbieter Sipgate (der übrigens aus der Website „Billiger-Telefonieren.de“ entstand – erinnern Sie sich an die Zeit, als wir je nach Tageszeit eine unterschiedliche Vorwahl nutzten, um ins Ausland oder zu einem Handy telefonieren?) stellte eines Tages auf einem der regelmäßigen Strategie-Retreats auf Mallorca fest, dass man in einer Sackgasse steckte. Man fuhr an der Belastungsgrenze, ein neues Produkt wurde nur mit viel Aufwand zur Marktreife geführt und die Produktivität „hatte sich gegen null entwickelt„.
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Und das, obwohl das Unternehmen wuchs und seine Produkte gefragt waren. Aber genau dieses Wachstum bedrohte offensichtlich das Geschäftsmodell, wie der Geschäftsführer im Harvard Business Manager berichtet („Im besten Fall werden ich ignoriert“). „Sipgate war ein ineffizientes, langsames Unternehmen geworden.„
Ein Büchlein, das ihm ein Mitarbeiter in die Hand drückte, brachte die Wende. Darin wurde die Methode „Scrum“ beschrieben, und er wusste, er hielt die Lösung in der Hand. Eine spezialisierte Beratung stellte in einem schmerzhaften Prozess den Entwicklungsprozess auf den Kopf. Die Hälfte der Mitarbeiter verließ das Unternehmen oder man trennte sich von ihnen. Viele wollten ihre Expertenrolle nicht abgeben oder suchten die klassische Karriere.
Nun ist Sipgate komplett agil organisiert, der Kunde steht im Mittelpunkt. Es gibt Daily-Stand-up-Meetings und vor allem zweiwöchige Retrospektiven mit den Fragen: „Was hat gut funktioniert? Was nicht so? Was wollen wir ausprobieren?“ Dieses Treffen ist für den Autor mit das wichtigste „Tool“ seit der Umstellung, auch wenn die Versuchung, es ausfallen zu lassen, mitunter groß ist. Für mich der schönste Satz im dem Artikel (es geht um Klassiker wie Urlaubsregelungen oder Materialbestellungen): „Wenn sie (die Mitarbeiter) solche Probleme nicht untereinander regeln können, welche Probleme sollen sie dann für unsere Kunden gemeinsam lösen?„
Einfach übersehen
Das andere Unternehmen ist die IT-Tochtergesellschaft der Deutschen Bahn, DB Systel. Hier kam der Schock, als die Mutter eine Digitalisierungsoffensive startete und dabei die eigene IT-Tochter überhaupt nicht in Betracht zog, sie komplett übersah (Bloß keine Nostalgie). Auch hier lautete die Entscheidung, auf agile Strukturen umzustellen. Es gibt nun selbstorganisierte Team, deren Führung auf drei Rollen verteilt ist: Das Umsetzungsteam, den Product Owner und den Agility Master. Reicht die Kompetenz im Team nicht, werden neue Mitarbeiter rekrutiert, die Auswahl dieser vom Team selbst vorgenommen.
In dem Beitrag im Personalmagazin wird erläutert, welches Menschenbild für diesen Wandel grundlegend war: „Alle Menschen haben Initiative und Leidenschaft.“ – „Alle Menschen wollen zu einer wertvollen Sache etwas beitragen.“ und „Alle Menschen wollen an ihrer Arbeit und an ihrer Kooperation mit andern Menschen persönlich wachsen.“ (Erinnert Sie das auch an McGregors Menschenbild Y?) Was vielleicht normal sein sollte, wird hier mal festgeschrieben und damit deutlich gemacht, dass es extrem wichtig ist, sich darüber Gedanken zu machen, wie das eigene Menschenbild aussieht.
Ob das ganze Unterfangen erfolgreich ist, zu der erhofften Wahrnehmung beim Hauptkunden geführt hat, ob Mitarbeiter das Unternehmen verlassen haben – all das erfahren wir in dem Beitrag nicht. Wohl aber, dass es alles andere als einfach ist, eine solche Umstellung innerhalb eines Konzernverbandes durchzuführen. Die Mutter ist bekanntlich hierarchisch organisiert, nun passt die Tochter nicht mehr in die klassischen Organigramme. Um dort das nötige Verständnis zu erlangen, gibt es kontinuierliche Arbeitskreise mit der Holding. Stelle ich mir schwierig vor, aber immerhin wird der Versuch unternommen…