KRITIK: Was tut sich in Sachen Eignungsdiagnostik? In der Personalführung hat Martin Kersting die aktuellen Trends zusammengefasst und sieht einige Chancen, aber auch etliche ungeklärte Fragen (Digitale Transformation). Und auch zusätzliche Anforderungen an diejenigen, die auf der Suche nach dem „passenden“ Personal sind. Neben der klassischen Frage der Einstellung neuer Mitarbeiter und der „passgenauen“ Entwicklung derselben sind dies: Die passende Person für ein Projekt oder eine interne Stelle finden (eigentlich auch nicht neu) und die Gestaltung der Arbeitsbedingungen, so dass diese zu den Mitarbeitern passen. Das wäre in der Tat mal eine spannende Frage – aber wo genau wird das denn schon angewandt?
Weitere Trends
Automatisierung – das, was man unter Jobprofilmatching versteht. Auch bisher hat man versucht, Anforderungen und Kandidatenprofil zu vergleichen, aber das geschieht nun immer häufiger mit der Hilfe von Datenbanken.
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Eigenverantwortung, Stichwort „Self-Assessment“: Immer mehr Unternehmen stellen Kandidaten und Mitarbeitern digitale Tools zur Verfügung, die sie bearbeiten, um „etwas über sich selbst in Erfahrung zu bringen“. Dann können sie dieses Profil mit Job-Profilen vergleichen, sich über sich selbst Gedanken machen (Selbstreflexion), sich bewerben oder passende Trainingsmaßnahmen auswählen. Was mich immer wieder verblüfft: Glaubt man, dass die Menschen sich selbst so wenig kennen? Ist vermutlich eher gedacht als „Schubser“, damit sie angeregt werden, sich zu bewegen.
Kürzere Abstände: Weil sich die Arbeitswelt stetig wandelt, wird man auch häufiger diagnostische Verfahren anwenden um zu schauen, wer und ob jemand für neuen Anforderungen geeignet ist.
Generische Eignungsmerkmale: Das ist lustig: Man sammelt immer mehr Daten über Menschen. Aber es wird nicht darum gehen, noch spezifischere Kompetenzen zu ermitteln. Wichtiger werden generische Eigenschaften, hier die überall und ständig genannten: Lernfähigkeit, Motivation, Selbstdisziplin, ergänzt durch Veränderungsbereitschaft und Werte.
Da fragt sich der Leser schon, warum man dann in immer kürzeren Abständen testen muss – solche generischen Eigenschaften dürften doch ziemlich stabil sein.
Persönlichkeitsdiagnostik: Sie wird boomen, weil die Menschen immer eigenverantwortlicher handeln können. Und da spielen Persönlichkeitsmerkmale eine größere Rolle als bei Tätigkeiten, die weniger Freiräume lassen.
Digitale Kompetenz: Auch wenn man ja eigentlich Lernfähigkeit prüfen muss – die Unternehmen hätten dann doch gerne so etwas wie digitale Kompetenz erfasst – was auch immer das sein mag.
Zeitgemäße Ausgestaltung: Die Aufgabenstellungen sollten den neuen Verhältnissen angepasst werden, also zum Beispiel im Assessment Center.
Naja, das wird schon ewig gefordert, ein Trend scheint mir das nicht zu sein. Eher schon die Idee des „Recrutainments“, wo man Daten sammelt, während die Bewerber Computerspiele bearbeiten. Der Autor plädiert hier für Zurückhaltung.
Mediennutzung: Immer mehr läuft über den Computer, Papier und Bleistift-Tests sind out.
Asynchrone Durchführung: Die Kandidaten können beim Bearbeiten gefilmt werden. Oder ein Chatbot stellt die Fragen, da muss kein Auswerter anwesend sein.
Unbeaufsichtigte Verfahren: Passt zum letzten Punkt: Wenn niemand anwesend ist, dann wird es „Überwachungsmethoden“ geben – eine zweite Kamera beobachtet zum Beispiel den Kandidaten. Das nennt sich „Faking Detection„, dabei werden automatisierte Alarmsignale ausgegeben, wenn ein Verdacht auf Verfälschung besteht.
Big Data und KI: Das wohl am heißesten diskutierte Thema – Sprache und Mimik werden ausgewertet und von Algorithmen nach Mustern durchleuchtet. Oder Software durchsucht das Internet nach digitalen Spuren der Kandidaten und wertet diese aus. Mit anderen Worten: Man versucht, Kompetenzen zu erfassen, ohne dass von Bewerber eine konkrete, hierauf abzielende Leistung verlangt wird. Sogar ohne dass diese überhaupt wissen, dass sie „durchleuchtet“ werden.
Ein Beispiel findet sich im gleichen Heft (Wenn Mensch und Maschine Interviews führen). Das Verfahren nennt sich „Aon’s Assessment Solutions“ und basiert auf dem „Natural Language Processing (NLP)“. Die Idee ist: Der Bewerber beantwortet wie im Interview verhaltensbezogene Fragen, und die Software weist die Antworten bestimmten Klassen zu. Erzählt der Bewerber was von „Einholen von Feedback“, spricht das für teamorientiertes Arbeiten.
Das wird interessant: Die kommenden Bewerbungsratgeber werden dann die wichtigsten Phrasen empfehlen, die man nur oft genug fallen lassen muss.
Kersting warnt davor, alles, was möglich erscheint, fachlich und rechtlich unbedacht einzuführen und der Technik blindlings hinterherzulaufen. Es fehlen noch eine Menge an Erkenntnissen zur Tauglichkeit. Aber den Entwicklungen ganz ablehnend gegenüberzustehen, erscheint ihm auch nicht ratsam.