KRITIK: Es gibt Themen, da denkt man, das müsste doch inzwischen auch der Allerletzte begriffen haben: Beispielsweise, dass Anwesenheitsprämien Quatsch sind. Dem ist aber nicht so! Man könnte es amüsant finden, wenn es nicht so absurd wäre.
Der Aufhänger lautet: Krankenstand. Na, klar, da geht’s um Geld, da ist Schluss mit lustig. Fehlzeitenreduzierung ist definitiv ein Issue. Auch weil die in den letzten Jahren gestiegen sind. Warum? Nun, neben Corona gäbe es noch etliche Aspekte, über die man sprechen müsste. Sie werden in etlichen Beiträgen des aktuellen Personalmagazins auch durchdekliniert. Doch: nichts Neues seit Jahrzehnten, das können wir uns sparen. Ebenfalls nicht neu ist, dass nach solchen Diskussionen in vielen Unternehmen (Rühmliche Ausnahme) doch wieder vermeintlich Handfestes in den Vordergrund rückt: Der Verdacht, dass da einige Mitarbeitenden blau machen würden. Und das geht natürlich überhaupt nicht.
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So im Tesla-Werk in Deutschland. Und dieses Unternehmen, das offensichtlich von einem Genie geführt wird, bringt dann auch gleich einen vermeintlich genialen Vorschlag in Anschlag: Anwesenheitsbonus. Ein Nachteil dessen leuchtet unmittelbar ein: Präsentismus. Mitarbeitende kommen krank zur Arbeit. Sie leisten dort weniger, verschleppen ihre Gesundung und infizieren möglicherweise die Kolleg:innen. Das ist kein cleverer Deal, das ist ein vermeidbares Verlustgeschäft.
Die Weisheit der Dakota-Indianer
Was machst Du, wenn Du bemerkst, dass Du ein totes Pferd reitest? Die Dakota kennen sich damit aus. Sie setzen beispielsweise erst einmal eine große wissenschaftliche Studie auf. So auch der Autor (Die Grenzen von Anwesenheitsprämien). Er guckte sich die Gruppe der Auszubildenden in einer großen Supermarktkette aus. Vermutlich hatte der Personalleiter dort auch nicht in der Schule aufgepasst, dass ihn diese Frage nicht schlafen ließ. Deshalb stimmte er einem Feldexperiment zu. Es wurden zufällig drei Gruppen in den 232 Supermärkten gebildet:
- „eine Kontrollgruppe,
- eine Gruppe mit einem finanziellen Bonus für regelmäßige Anwesenheit,
- eine Gruppe, in der zusätzliche Urlaubstage bei regelmäßiger Anwesenheit vergeben wurden.“
Die Azubis der letzten beiden Gruppen sollten natürlich nichts verraten von dem Deal. Die Forscher nennen das „ein natürliches Umfeld“. Ich nenne das – in Anlehnung an Friedrich Nietzsche – fröhliche Wissenschaft. Was waren die Ergebnisse?
- „Keiner der Boni reduzierte die Fehlzeiten.
- Tatsächlich stiegen die Fehlzeiten in der Gruppe mit finanziellem Bonus im Vergleich zur Kontrollgruppe sogar um durchschnittlich fünf Tage pro Jahr.“ Der Freizeitbonus erhöhte die durchschnittlichen Fehlzeiten um einen Tag.
Sapperlot! Und warum? Viele Azubis, so ergab eine anschließende Befragung, „fühlten sich weniger verpflichtet, an Arbeitstagen zu erscheinen, wenn sie sich nicht krank fühlten und hatten ein weniger schlechtes Gewissen bezüglich Fehlzeiten.“
Überraschung?
Nicht wirklich. Der Autor stammt aus dem Accounting. Er hat entweder die einschlägige Fachliteratur der letzten Jahrzehnte nicht gelesen. Oder schlicht die Gelegenheit genutzt, einem Unwissenden für teures Geld ein nutzloses Forschungsprojekt zu verkaufen. Denn die Erkenntnis ist ja nicht neu, ich sage nur „Schwanzprämien“ (Nachdenken hilft).