30. Juni 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Ersatz für Fellpflege

PRAXIS: Klatsch und Tratsch in der Pause, zwischen Tür und Angel, auf den Bürofluren – all das hat in Zeiten des Homeoffice Pause. Oder ist zumindest schwieriger. Umso besser, könnte man meinen, so kommen weniger Gerüchte in die Welt und damit weniger Unfrieden. Stimmt nicht wirklich, meinen Fachleute, denn das Lästern hat eine wichtige Funktion.

Erst einmal zwei Zahlen: Angeblich verbringen wir im Schnitt 52 Minuten am Tag mit Tratschen, wobei es keinen Unterschied zwischen Männern und Frauen gibt. Und das, was wir als Lästern empfinden, ist in Wirklichkeit nur zu einem geringen Prozentsatz negativ, nämlich 15%, der Rest ist neutral. Wobei die Grenzen zwischen übler Nachrede und harmlosem Tratschen natürlich fließend sind (Lästern aus Leidenschaft).


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Welche wichtige Funktion könnte dieses Lästern nun haben? Es ist der soziale Kitt, der uns zusammenhält. Witziger Vergleich: So wie Affen sich gegenseitig lausen, was nur vordergründig der Fellpflege dient, sondern vor allem eine soziale Funktion hat: Dabei werden Allianzen geschmiedet, Konkurrenten besänftigt und Auseinandersetzungen beendet. Das Gleiche leistet das Tratschen. Man tauscht Erfahrungen und Meinungen über andere aus, aber auch Erlebnisse, Eindrücke, Einschätzungen aktueller Ereignisse. Meist verbunden mit den entsprechenden Bewertungen natürlich.

Ein eindrückliches Beispiel wird in dem Beitrag der Wirtschaftswoche geschildert. Bei Boing soll es lange vor dem ersten Absturz des Typs 737 Max böse Gerüchte im Unternehmen gegeben haben. Es geht aber auch weniger dramatisch, was man stets nach ausufernden Besprechungen erleben kann: Da haben die Teilnehmer kaum in der Kantine Platz genommen, da wird schon heftig gelästert über die fruchtlosen Diskussionen und den Unsinn, den Kollege X oder Chef Y von sich gegeben hat.

So etwas entlastet, man lässt Dampf ab, was auch eine wichtige gesundheitliche Funktion hat. Wenn man sich aufregt, aber den Ärger nicht äußern kann (etwa in der Besprechung), steigen Blutdruck und Puls, das anschließende gemeinsame Lästern bringt einen wieder auf das Ausgangslevel.

Und schließlich: Es hilft auch, die eigenen Emotionen und Eindrücke abzugleichen, sich über Kollegen, Chefs und Kunden zu informieren, sich gegenseitig zu warnen, was natürlich für die Betroffenen übel werden kann – die Kehrseite des Tratschs.

Wie sieht das nun aus, wenn die meisten im Homeoffice sitzen? Dann fehlt etwas, weil es sich riskant anfühlt, sich per Kamera und Mikrofon über andere zu ereifern. Da könnte tatsächlich jemand mithören oder die Gespräche sogar aufzeichnen, und irgendwie fühlt es sich auch anders an.

Vermutlich ist da was dran, dass Klatsch und Tratsch eine wichtige soziale Funktion haben. So ganz wohl ist mir aber dennoch nicht bei dem Gedanken, das dann einfach so hinzunehmen. Wäre es nicht denkbar, diesem Bedürfnis auch einen Raum zu verschaffen? Zum Beispiel regelmäßig so etwas wie eine Befindlichkeitsrunde abzuhalten, bei denen sich jeder äußern kann, was ihm gegen den Strich geht, was ihn in letzter Zeit aufgeregt hat, womit er sich unwohl fühlt? Natürlich ersetzt das nicht das spontane Dampf ablassen, das wäre in einer solchen Runde vermutlich auch nicht förderlich. Aber mit einem zeitlichen Abstand die Gelegenheit zu haben, die Dinge, die auf den Fluren kursieren, zur Sprache zu bringen, würde die Chance bieten, die eine oder andere Entscheidung noch einmal zu hinterfragen.

Noch eine Idee: Wie wäre es, zu Beginn eines Meetings die Frage zu stellen: „Welche Gerüchte sind denn gerade im Umlauf?“ Am Anfang sicher etwas ungewohnt, aber ich stelle mir vor, das könnte richtig Spaß machen und dazu beitragen, Dinge zu klären und aufzulösen.

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