5. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Fair und respektvoll

INSPIRATION: In Krisenzeiten werden Mitarbeiter entlassen, das wird bei Corona nicht anders sein. Zuerst erwischt es viele, die noch in der Probezeit sind, und auch die Kurzarbeit dürfte kaum verhindern, dass es zu einem „Personalumbau“ in vielen Unternehmen kommt. Dann werden so manche Führungskräfte zum ersten Mal ein Kündigungsgespräch führen müssen. Aber wie?

„Fair und respektvoll“, lautet die Antwort der Fachleute (Aus. Ende. Käffchen?). Klingt gut, aber wie soll das funktionieren? Es gibt wohl Studien, die nachweisen, dass sich eine Kündigungserfahrung in den ersten Berufsjahren noch viele Jahre „später negativ auf das gesundheitliche Wohl auswirkt.“ Mit dem Wissen tut sich die Führungskraft dann noch schwerer, die schlechte Botschaft zu überbringen.

Auswählen müssen

Noch eine schwierige Geschichte: Wenn die Unternehmensleitung sich zu dem Schritt entschlossen hat, muss sie ja eine Auswahl treffen. Rat der Experten: Erst eine Positiv-Liste erstellen von den Menschen, die man unbedingt behalten möchte (eine „Olympia-Auswahl“). Was aber in der Praxis wohl nicht immer funktioniert, weil es bestimmte Gruppen von Mitarbeitern gibt, die einen höheren Kündigungsschutz genießen (Stichwort: Sozialauswahl). Dann muss man sich schließlich doch von Leuten trennen, die man eigentlich behalten möchte. Es sei denn, man versucht, die anderen doch loszuwerden. Indem man Aufhebungsverträge anbietet, eine entsprechende Vereinbarung mit dem Betriebsrat trifft oder Druck ausübt (was kein Tipp ist, aber vermutlich keine unübliche Praxis darstellt.)

Wenn dann die Namen feststehen, wird es schwierig. In meinem Bekanntenkreis erhielt jemand in der Probezeit die Kündigung per E-Mail. Im Film „Up in the Air“ engagieren Unternehmen externe Experten, die professionell und einfühlsam die Mitteilung überbringen. Woanders überlässt man diese Aufgabe gerne auch mal der Personalabteilung. Alles keine wirklich respektvollen Varianten. Und wie soll das mit der „Fairness“ überhaupt funktionieren? Da teilt mir jemand, der offenbar nicht gehen muss, also noch benötigt wird, mit, dass ich „eingespart“ werde. Kann man das jemals als „fair“ empfinden? Vor allem, wenn man anschließend sieht, wer von den Kollegen bleibt. Für Fairness gibt es keine Kriterien …

Respekt

Bleibt noch respektvoll. Und Respekt gebietet tatsächlich, dass eine Führungskraft diese Entscheidung mitteilt. Eigentlich, so finde ich, sollte es sogar diejenige sein, die die konkrete Entscheidung getroffen hat. Wie soll eine Führungskraft, der man mitteilt, dass einer ihrer Mitarbeiter gehen muss, diese Botschaft überbringen? „Ich bin selbst davon überrascht – das war nicht meine Entscheidung – ich hätte Ihnen natürlich nie gekündigt …“

Andererseits: Wie geht es wohl einem Gekündigten, wenn der eigene Vorgesetzte in Deckung geht und dieses Gespräch der nächsten oder gar der übernächsten Ebene überlässt? Ein US-Unternehmen kündigte 400 Mitarbeitern auf einen Schlag, und das per Zoom-Konferenz. Da sind dann alle fein raus …

Also führt kein Weg daran vorbei: Egal, auf welche Art und Weise die Entscheidung getroffen wurde, der direkte Vorgesetzte ist gefragt. Und hier nun endlich die Tipps: Nicht lange warten, möglichst zügig das Gespräch suchen, am besten sogar ohne Terminvereinbarung. Das kennt man auch aus Spielfilmen (Der große Crash): „Kommen Sie doch bitte gleich mal in mein Büro.“ Alles andere ist nur ein unnötiges „auf die Folter spannen.“ Und dann auch nicht lange herumreden, sondern gleich die eigentliche Botschaft mitteilen.

Training von Kündigungsgesprächen

Weil die Betroffenen sehr unterschiedlich reagieren, von völliger Schockstarre über in Tränen ausbrechen bis zu Wutausbrüchen, aber auch mit nüchternen Fragen zu Abfindungsregeln und Verhandlungsoptionen, sollten Führungskräfte auf diese Situation vorbereitet, d.h. trainiert werden. Genau das geschieht aber nur in wenigen Unternehmen. Wann auch: In guten Zeiten wird daran niemand ein Interesse haben, in Krisenzeiten haben vermutlich andere Dinge Priorität als Führungskräfte-Trainings. Sicher ein Fehler.

Ich hänge gedanklich immer noch an einem Problem: Was, wenn ich als Führungskraft die Entscheidung für Kündigungen generell oder bezogen auf den betroffenen Mitarbeiter nicht mittrage? Wenn ich also die Entscheidung für falsch halte? Oder ethisch nicht vertreten kann?

Auch wenn das jetzt vermutlich ein viel zu hoher Anspruch ist: Eigentlich bleibt einem dann nichts anderes übrig, als den Entscheidern mitzuteilen, dass man nicht bereit ist, die Nachricht zu überbringen und damit das Risiko eingeht, selbst seinen Hut nehmen zu müssen. Realistisch? Vermutlich eher nicht, dazu gehört wohl mehr als nur Rückgrat. Ein Training mag helfen, mit etwas mehr Sicherheit in ein Gespräch zu gehen. Aber es bleibt sicher eine der unangenehmsten Aufgaben einer Führungskraft. Wobei ich mir den nächsten Satz nicht verkneifen kann: Wer eine Führungsposition anstrebt, sollte sich auch darüber vorher klar sein. Wenn er nicht in eine solche Situation geraten will, dann sollte er vielleicht eine andere Art der Karriere anstreben …

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