INSPIRATION: Mal wieder ein typisches Fallbeispiel made in USA, veröffentlicht im Harvard Business Manager. Nicht der Rede wert – eigentlich. Doch angesichts der Parallelen zu den aktuell heiß diskutierten Rasenmäher-Projekten eines durchgeknallten Präsidenten und seines unfehlbaren Technologie-Milliardärs ist der Fall dann doch interessant.
Die Geschichte nimmt ihren Anfang im Jahr 2019. Da stellt der frisch gewählte Gouverneur von Kalifornien fest, dass sein „Department of Motor Verhicles“, wohl so etwas wie unsere Kraftfahrzeugbehörde, extrem ineffizient arbeitete. Für einfache Anliegen wie das Verlängern des Führerscheins standen die Menschen mehrere Stunden an, die Beschäftigten vor Ort (10.000 an der Zahl in 180 Außenstellen) waren demoralisiert, die IT hoffnungslos veraltet, „Silodenken und Misstrauen untergruben die Zusammenarbeit und blockierten Veränderungen“.
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Ein Quereinsteiger (ein erfahrener Technologie-Experte) sollte die Sache richten. Sein Vorgehen wird hier von Wissenschaftlern dargestellt, die das Vorgehen über die letzten acht Jahre beobachteten. Sie nennen das Ganze das „Friction Project“. Warum, dazu später mehr. Der neue Chef entließ allerdings nicht erst einmal die Hälfte der Angestellten oder schloss die Behörde gleich ganz. Ihm war aber schnell klar, dass schnell etwas geschehen musste.
Hospitationen
Sein Schlüsselerlebnis war, als er im Rahmen seines Bewerbungsprozesses eine Zulassungsstelle besuchte und dort Menschen morgens um 6 Uhr antraf, die sich sogar Liegestühle für die lange Wartezeit mitgebracht hatten. Seine ersten Monate nutzte er dazu, alle 180 Außenstellen zu besuchen. Er legte 80.000 km mit dem Auto zurück (Management by Driving around) und sprach jeweils ca. 1 Stunde mit den Beschäftigten vor Ort. Er erklärte seine Pläne zur Entlastung von Kunden und Beschäftigten und fragte letztere nach Problemen und Lösungsideen.
Was nicht weiter verwundert: Viele Probleme existierten, weil es jede Menge Vorschriften gab, die bestehende Prozesse unendlich kompliziert machten. So mussten Anträge mehrfach geprüft werden, wo eine einzelne Person genügt hätte. Oder Formulierungen waren so missverständlich abgefasst, dass weder Mitarbeitende noch Kunden sie verstanden. Mit anderen Worten: Es waren die alltäglichen Hindernisse (Frictions), die den Mitarbeitenden das Leben schwer machten, aber diesen fehlte das Verständnis für die Ursachen oder die Kompetenz, etwas zu ändern.
Am Ende wurde jeder einzelne Schritt auf den Prüfstand gestellt und geschaut, ob es eine Vorschrift oder Regel hierfür gab, ob es sinnvoll oder nicht war und wie er geändert oder abgeschafft werden konnte. Am Ende schaffte man es, die Zeit zur Erlangung einer „Real ID“ von 28 auf 8 Minuten zu verkürzen und die Bewertung des Services von 2,5 auf 4,25 (auf einer Skala von 1 bis 5) zu steigern.
Unruhe
Noch eine Konsequenz: Der neue Chef begann, seine „Leute aus dem Nest zu werfen“, einige Führungskräfte waren bis dahin gar nicht auf die Idee gekommen, die Außenstellen zu besuchen. Und er forderte die Beschäftigten auf, mehr auf Hindernisse zu achten, mit ihren Führungskräften hierüber zu sprechen oder sich per Mail direkt an ihn persönlich zu wenden.
Apropos Rasenmäher – die Metapher fällt auch hier. Aber sie ist ganz anders gemeint: Regelmäßig die Hürden unter die Lupe zu nehmen und zu entfernen sei wie Rasenmähen – im Sinne regelmäßiger Pflege, so dass die Vorschriften und Regeln nicht über die Gebühr wuchern können.
Die ganze Geschichte gibt es übrigens kostenlos im Netz unter dem Titel: „Reducing Traffic Jam at the California DMV„