15. Januar 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Hamels eifrigster Schüler

INSPIRATION: Mutig ist es, das kann man nicht anders sagen. Da macht sich ein CEO auf, ein Unternehmen umzukrempeln – was erst mal nichts Neues ist. Aber in diesem Fall handelt es sich um das deutsche Traditionsunternehmen Bayer, und der Plan ist nicht, es weiter aufzuteilen und zu verscherbeln, sonders es von innen her zu reformieren. Nach Vorbild des niederländischen Pflegedienstes Buurtzorg.

Die Leser von Frederic Laloux werden aufhorchen. Genau, es geht darum, dass die Menschen vor Ort die Entscheidungen treffen und sich nicht ständig nach oben absichern müssen. Natürlich kann nicht jeder Einzelne alles allein entscheiden, aber dafür gibt es Teams. Die sorgen dafür, dass sich die besten Ideen durchsetzen – und das schneller, als wenn ein Thema erst die Hierarchie rauf und runter wandern muss.


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So einfach, so klar – so schwierig umzusetzen. Vor allem in einem Konzern, in dem traditionell das Handeln nach Regelwerken und mit Absicherung von oben dominiert. Die Wirtschaftswoche durfte den Umbau ein Jahr lang begleiten und hat nun einen umfangreichen Beitrag dazu veröffentlicht (Das Experiment). Auch das ist mutig – wobei ich nicht weiß, wie sehr die Kommunikationsabteilung des Konzerns hier eingreifen durfte.

Dynamic Shared Ownership

Aber das eigentliche Vorbild für Bayer-Chef Bill Anderson ist Gary Hamel, der in seinem Buch „Humanocracy“ das Grundprinzip beschrieben hat. Die Zauberformel lautet „Dynamic Shared Ownership“ (DSO) – mal wieder ein neues Konzept, werden viele Mitarbeitende denken. Und um diese dreht sich nun offenbar alles bei dem Unternehmen aus Leverkusen. Und das hat eine Wende dringend nötig, die Zahlen sind alarmierend: In 2023 machte man 2,9 Milliarden Verlust, das operative Ergebnis brach um 25% ein, die Aktie hat seit Amtsantritt von Anderson 60% ihres Wertes verloren.

Die Luft ist dünner geworden, und zwar auch für viele Führungskräfte. Denn von ihnen benötigt man nach dem neuen Modell immer weniger – sie werden ja nicht mehr gefragt. Angeblich wurden 5.500 Stellen schon abgebaut, viele davon waren Führungspositionen. Das sorgt für Unsicherheit auf allen Ebenen, da ist die Frage schon berechtigt, ob in einer solchen Situation dieser Umbau gelingen kann. Oder wie ein Fondmanager sagte: „Das Haus Bayer brennt lichterloh, und Sie als Hausherr fangen erst einmal damit an, aufzuräumen, anstatt die Brände zu löschen.“

Was genau passiert nun praktisch? Überflüssige Meetings wurden abgeschafft, ebenso die vierteljährlichen Zielgespräche. Stattdessen wird alle 90 Tage überprüft, wie sich die Entscheidungen der Teams bewährt haben. Damit die meisten Teams (70% sollen es schon sein, demnächst sogar 90%) auf das neue Modell umstellen können, werden fleißig Trainings durchgeführt. Dort baut man mit Spaghetti kleine Türme, an deren Spitze Marshmellows thronen. In Teams mit einer vorgegebenen Hierarchie klappt das nicht, während jene, die selbst entscheiden können, das wunderbar fluppt. So lernen die Mitarbeitenden die Vorteile der neuen Arbeitsweise kennen. (So was Ähnliches habe ich vor 30 Jahren in Workshops probiert – raten Sie mal, in welchem Konzern … hier nachzulesen: Von der Hierarchie zur Gruppe).

Aber Spaghetti-Türme sind keine Medikamente oder Pflanzenschutzmittel, und hier neue Blockbuster auf den Markt zu bringen, ganz andere Herausforderungen. Entsprechend skeptisch äußern sich Betroffene, auch wenn erste Erfolge schon sichtbar sein sollen. Bei rezeptfreien Medikamenten wurde die Markteinführung von bis zu fünfzehn Monate auf sechs bis neun reduziert, und auch in der Forschung werden Untersuchungen schneller abgeschlossen. Warum dann die Skepsis?

Blockbuster gesucht

Zum einen, weil neue Produkte in dieser Branche sich nun mal nicht so leicht planen lassen, sondern vom Forscherglück abhängen. Das lässt sich nicht unbedingt erzwingen. Zum anderen, weil die oberen Ebenen (bisher) nicht angetastet wurden, und dort kommt es bei Entscheidungen weiterhin zu Verzögerungen. Ich würde mich auch wundern, wenn Top-Manager in den gleichen Seminaren den Marshmellow-Turm gebaut haben, aber wer weiß …

Und dann wissen offenbar viele Mitarbeitende (trotz der Trainings) nicht wirklich, wie dieses DSO in ihrem Bereich umgesetzt werden soll. Es ist ja etwas völlig anderes, eine Organisation wie Buutzorg aus dem Nichts aufzubauen als einen hierarchischen Konzern komplett umzukrempeln. Vor allem, wenn die Investoren kalte Füße bekommen und der Aktien weiter fällt. Da wäre meine Befürchtung, dass irgendwann das Pendel fürchterlich zurückschwingt und nach dem Krisenmanager gerufen wird, der das ganze Vorhaben als „Sonnenschein-Idee“ entlarvt und wieder Ordnung in den Laden bringt.

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