8. Mai 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Klare Kante

KRITIK: Bei der Yello Strom GmbH wird seit anderthalb Jahren Personalführung und Businessverantwortung aufgeteilt. Das sei ein Ergebnis der Beschäftigung mit Agilität. Beim Energieanbieter aus Köln mit rund 100 Mitarbeitenden hat man sich mit dem Konzept der geteilten Führung auseinandergesetzt – und es schließlich eingeführt. Die Autoren (Doppelte Energie, geteilte Führung) nennen die üblichen Gründe dafür: Arbeitgeberattraktivität, Zufriedenheit, Fachkräftemangel, Resilienz und Zukunftsfähigkeit. Also „komplexe Herausforderungen“, auf die andere Antworten gegeben werden müssten als in der Vergangenheit. „Anders als in einer traditionellen Hierarchie mit einer einzelnen Führungskraft verteilen wir die Verantwortung auf mehrere Schultern.“ Das klingt agil. Doch sofort stutzt der Leser: „Wir sprechen deshalb auch von ‚verteilter Führung‘.“ Bin ich mal wieder zu spitzfindig? Oder gibt es einen Unterschied zwischen geteilter und verteilter Führung?

Der Unterschied zwischen geteilter und verteilter Führung

Bei Yello jedenfalls wird seit anderthalb Jahren Personalführung und Businessverantwortung aufgeteilt. Das klingt für mich doch eher nach der alten – und in meinen Augen: unsäglichen – Aufteilung von fachlicher und disziplinarischer Verantwortung. Und nicht nach der Rollenverteilung zwischen Product-Owner und Scrum-Master. Der Product-Owner verantwortet das Ergebnis (und hieß früher Projektmanager). Der Scrum-Master ist der Prozess- und Methodenexperte, manchmal auch ein Mentor. Und – ehe ich es vergesse: Es gibt da noch die dritte Rolle im Konzept – das Team. Es arbeitet interdisziplinär in Selbstorganisation zusammen.


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Die Yello-Autoren begründen ihr Konzept damit, dass Führung von Business und Personal unterschiedliche Fähigkeiten erfordere. Sie separieren also, integrieren nicht, wie Shared Leadership an anderer Stelle gelebt wird: nämlich als Job-Sharing (Job-Sharing bei Führungskräften). Lassen wir uns das erklären, denn bei Yello hat man schon Agilität erprobt. Doch offensichtlich kam man damit nicht so klar. „Die damals gebildeten agilen Teams verfügten über einen klassischen Business Owner, der sowohl die Business- als auch die Personalverantwortung trug.“ Doch im Alltag entstanden Probleme: Personal- und Business-Themen kamen sich in die Quere.

Welche Führungsrolle hat das Team?

Ein Klassiker, denke ich mir. Das sogenannte Business ist immer wichtiger. Die Mitarbeiter – die offensichtlich mit dem Business nicht so viel zu tun haben – müssen warten. Doch was wäre, wenn das Eine mit dem Anderen zusammenhängen würde? Tja, da könnte man ja mal drüber nachdenken. Also das empowerte Team könnte da mal drüber nachdenken – wenn man es denn ließe …

Im operativen Geschäft von Yello sind die Mitarbeitenden in zwei Bereiche eingeteilt: Sales & Marketing und Bestandskundenbereich. Beide Bereiche werden nun jeweils von einem Führungsduo geleitet: Der Business Lead trägt die Business-Verantwortung und der People Lead kümmert sich um die Mitarbeitenden. Klingt nach Feelgood Management. Oder sind die People Leader, wie sie behaupten, vielmehr Facilitatoren und Moderatoren? Immerhin schreiben sie die Job-Profile, rekrutieren und sorgen dafür, dass auf der Ebene der Geschäftsführung immer wieder die Sicht der Mitarbeitenden eingebracht wird. Wenn sich das nicht eher old fashioned statt agil anhört!

Klare Kante!

Wenn ich lese, das Motto bei Yello laute: „‘Clear is kind‘ (Klar ist freundlich)“ springt gleich mein Bullshit-Detektor an. Und der nächste Satz stellt ihn auch nicht wieder aus: „Es geht uns bei der Weiterentwicklung also weniger darum, individuelle Wünsche zu bedienen, sondern um gezielte Maßnahmen, die sowohl die Mitarbeitenden als auch das Unternehmen voranbringen.“ Die klare Kante wird mir zur harten Hand. Die „nette“ New-Work-Terminologie kann man auch umdeuten. Resilienz bedeutet dann vielleicht: Beißt die Zähne zusammen! Auch das wäre nichts Neues mehr im Business (Shared Leadership).

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