INSPIRATION: Es ist immer wieder aufschlussreich, wenn Unternehmen mal nicht über großartigen Erfolge im Zuge ihrer Transformation berichten. Sondern über gescheiterte Veränderungen und was sie daraus gelernt haben. So wie im Fall von Tele Haase. In einem Interview erzählen einer der beiden Geschäftsführer sowie zwei Führungskräfte des Unternehmens, wie es ihnen ergangen ist, nachdem man umfassende Mitspracherechte und Entscheidungskompetenzen ermöglicht hatte (Zu viel, zu schnell).
Die ursprüngliche Idee war, eine intelligente, sich selbst steuernde Organisation zu erschaffen. Der Geschäftsführer hatte genug von der nach wie vor tayloristischen Ausrichtung und der zentralen Kontrolle. Zumal er befürchtete, dass sein Unternehmen damit nicht konkurrenzfähig bleiben würde.
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Die Alternative: Man definierte elf Prozesse, die Mitarbeiter bestimmten die Prozessverantwortlichen selbst, durften kleinere Investitionen allein und größere im Team entscheiden. Personalführung im Sinne der Personalverantwortung wurde getrennt von der fachlichen Zuständigkeit, hierfür konnten sich Mitarbeiter aus anderen Prozessteams melden. Strategische Entscheidungen wurden in Gremien getroffen, in die die Prozessteam ihre Vertreter schickten. Dort wurde mit einfacher Mehrheit entschieden, jeder hatte eine Stimme, wobei die Geschäftsführung (hier „Regie“ genannt) ein Vetorecht hatte (von dem sie so gut wie nie Gebrauch machte).
Klingt gut?
Funktionierte aber nicht. Zentrale Aussage, die in dem Interview mehrfach getätigt wird: Man hat die Mitarbeiter überfordert – sowohl was ihre Fähigkeiten anging (die entsprechenden Weiterbildungsangebote hinkten hinterher) als auch die Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen. Die bekannte Erfahrung: Wer über viele Jahre in einem hierarchischen System sozialisiert wurde, wird nicht plötzlich zum Mitunternehmer und Entscheider. Entsprechend hatte man mit einer recht hohen Fluktuation zu kämpfen.
Noch eine Erkenntnis: Die Entscheidungsprozesse waren mühselig, anstrengend und kraftraubend. Das Problem: Wenn alle mitreden und entscheiden können, aber nicht alle das notwendige Wissen hierfür haben – wie soll das funktionieren? Zumal das Umfeld zunehmend komplexer wurde. Auch bitter: Es gab einzelne, die das System missbrauchten und in den Teams ihre eigenen Interessen durchsetzten, weil sie geschickter in der Argumentation und in Sachen „Mikropolitik“ waren.
Die Konsequenz aus diesen bitteren Erfahrungen?
Man kehrte keineswegs zurück zur alten Hierarchie. Die Organisation wurde komplett umgekrempelt, wobei die Mitarbeiter eingebunden wurden in Form eines Transitionsteams. Nun gibt es vier Kreise, die für Produkte zuständig sind. Statt der Entscheidungsgremien gibt es ein Team der „Mitte“, das für die strategischen Entscheidungen sorgt. Hierein entsenden die Kreise einen Verantwortlichen, wobei nach wie vor jeder daran teilnehmen darf, aber nicht mehr alle das Stimmrecht haben.
Und die Personalführung liegt bei einer HR-Expertin – mit dieser Rolle waren wohl viele ziemlich überfordert, zumal sie neben der fachlichen Aufgabe bewältigt werden musste.
Was auffällt: Ein wesentlicher Erfolgsfaktor dafür, dass Mitarbeiter Verantwortung übernehmen und sich engagieren, ist Transparenz. Alle Informationen über das Unternehmen, mit Ausnahme der Personaldaten, liegen vollständig offen und sind für jeden Mitarbeiter zugänglich. Zum anderen: Es gibt wohl nach wie vor Mitarbeiter, die diese Form der Zusammenarbeit nicht möchten, aber bleiben, weil sie nicht selbst kündigen wollen und so die Abfindung riskieren. Und schließlich: Nicht nur die Mitarbeiter waren überfordert, auch die Geschäftsleitung. Deshalb gibt es jetzt auch einen zweiten Geschäftsführer – auf Wunsch der Mitarbeiter.
Ach ja, Stichwort „Verpflichtende Demokratie“. In der Kaffeeküche meckern und die Verantwortung auf andere schieben ist etwas, das der Geschäftsführer nicht leiden kann. Aber alle haben das noch nicht verinnerlicht …