INSPIRATION: Jahre lang gab man Vollgas, das Geschäft lief gut. Die Kunden waren zufrieden, und man konnte es sich sogar leisten, Mandate, die nicht passten, zurückzugeben. Aber dennoch stimmte etwas nicht. Die Gesellschafter fragten sich, warum sie so kaputt waren und warum alles so mühsam war. Ein Neuanfang musste her.
Eine Ursache für die Erschöpfung war schnell gefunden: Alle Entscheidungen stauten sich bei den Gesellschaftern, ein typisches Problem vieler klarer Hierarchien, so wie sie auch bei Janus etabliert worden waren. Man appellierte an die Kollegen: „Entscheidet einfach, Ihr dürft und Ihr sollt das!“ „Aber es änderte sich nichts.“ Wie das eben so ist: Mitarbeiter entscheiden, dann mischt sich der Chef doch ein und wirft den Entschluss über den Haufen. Er entscheidet ein zweites Mal, und wieder „grätscht der Chef rein“. Das macht er kein drittes Mal, egal, wie sehr die Chefs auch betonen, dass sie selbstständige Mitarbeiter wollen.
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Radikaler Wandel
Man entschied sich für einen radikalen Wandel. Es wurde keines der aktuellen Modelle übernommen, die jetzt im Zuge der Agilitäts-Welle verbreitet werden, Janus suchte seinen eigenen Weg. „Einmal im Jahr schnürt jeder Mitarbeiter sein persönliches Arbeitspaket mit den Themen, um die er sich kümmern möchte.“ (Heilsame Tränen). Seitdem werden die Projekte in Gang gesetzt, „bei denen die Leute mit Herzblut dabei sind, … die anderen gehen unter.“ Es gab zum Beispiel Mitarbeiter, die wollten die Change-Begleitung, die eigentlich schon aussortiert worden war, weiterführen und setzen sich durch.
Es gibt offenbar so etwas wie die Entscheidungsfindung im Konsens. Wer mit einer Entscheidung nicht einverstanden ist, muss seinen Widerstand anmelden und kann so die Entscheidung stoppen. Aber er muss dann auch dafür sorgen, dass eine Klärung oder Einigung ermöglicht wird. Die Entscheidungen werden in autonomen Kreisen getroffen, bei denen jeder mitmachen kann – klingt nach Soziokratie.
Auch immer wieder berichtet: In solchen Kreisen ist das persönliche Feedback offenbar viel klarer, als man das von der Hierarchie gewohnt ist. Da muss sich ein Kollege schon sagen lassen, dass man „seine Stärken anderswo“ sieht. Oder dass Aufgaben bereits vergeben sind. Klarheit, die mancher Vorgesetzte nie hinkriegt, egal, wie sehr er auch geschult wird.
Schwierige Themen meistern
Und auch das ist nicht überraschend: Am schwierigsten erwies sich das Thema „Gehaltsfindung“. Das Verfahren klingt interessant: Wer mehr Geld möchte, vertritt diesen Wunsch vor einem Lohngremium, das eine Einschätzung nach Betrachtung der Gesamtsituation des Unternehmens abgibt. Dann entscheidet der Mitarbeiter, wie viel Geld er bekommt und muss das auf der digitalen Firmenplattform veröffentlichen. Das ist in der Tat sehr tranparent und wird von vielen als anstrengend erlebt. Zumal je nach Gehalt natürlich auch die Erwartungen der Kollegen hoch sind und man es sich gefallen lassen muss, daran erinnert zu werden.
Dass all das nicht leicht war, wird in dem Werkstattbericht in der Brand eins deutlich. Nach vier Jahren ziehen die Kollegen ein positives Fazit – und helfen inzwischen anderen Unternehmen, sich von der Hierarchie zu lösen. Und genau das ist offenbar nach wie vor der schwierigste Schritt: Loslassen, sich von Macht und Status verabschieden.