INSPIRATION: Immer wieder liest man von neuen Generationen, als Mitglied der Babyboomer erlebe ich das jetzt schon viele Jahre. Und immer wundern sich die Älteren, wie anders doch die jungen Leute ticken. Nun sind die Millenials an der Reihe, und ihr Ruf ist schlecht. Zu Recht?
Die Brand eins hat ein ganzes Heft dem „Generationenkonflikt“ gewidmet, das Fazit nehme ich mal vorweg: „Es gibt keine klaren Fronten zwischen Jungen und Alten.“ (Spießer! Faulenzer!). Die Jungen engagieren sich für den Umweltschutz und sind auch politisch interessiert. D.h. ein Teil von ihnen. Die Älteren denken egoistischer und an die eigene Zukunft – d.h. ein Teil von ihnen. Die jüngeren sind politisch flexibler und zum Teil linker eingestellt – aber auch das gilt für einen Teil der Älteren.
Dennoch gelten die Millenials als eher faul, ohne Eigeninitiative, leicht ablenkbar, sehr mit sich selbst beschäftigt, verhätschelt von ihren Eltern, nicht allzu frustrationsresistent und an richtiger Arbeit nicht sonderlich interessiert.
Die Zahlen sprechen eine andere Sprache. Zwar ist die Arbeitszeit tatsächlich weiter gesunken, aber der Trend ist schon alt. Die Produktivität pro Arbeitsstunde ist enorm gestiegen, und auf der „Protestantischen Arbeitsmoral-Skala“ erzielen die Millenials in Sachen Wichtigkeit der Arbeit zum Teil höhere Werte als die Babyboomer.
Was ist dann überhaupt anders?
Eine Antwort: Die Arbeitsorganisation. Die jungen Leute wollen selbst entscheiden, wann und wie sie arbeiten. Sie halten nicht viel vom Acht-Stunden-Tag – wenn es wenig zu tun gibt, sehen sie nicht ein, warum sie dann Zeit am Arbeitsplatz verbringen sollten. Das heißt aber nicht, dass sie weniger arbeiten. Das irritiert die Älteren, für die eine klare Struktur und die Trennung von Arbeit und Privatem ein Beleg für Arbeitsdisziplin ist.
Außerdem sind die Jungen weniger loyal ihrem Arbeitgeber gegenüber. Das wird als geringe Frustrationstoleranz interpretiert, ist aber wohl mehr ein Zeichen von größerer Experimentierfreude. Die wichtigste Ursache für den schlechten Ruf aber sind die idealisierten Erinnerungen der Älteren. Das Phänomen ist so alt wie die Menschheit. Der bekannte „Die Jugend ist nicht mehr das, was sie mal war“-Effekt. Wir vergleichen sie mit uns selbst, wie wir in unserer Erinnerung waren: Diszipliniert, fleißig, ehrgeizg, loyal, ausdauernd … Nur dass uns unser Gedächtnis dabei einen Streich spielt. Der Beitrag in der Brand eins endet mit dem Satz: „The kids are alright.“
Schöne Beispiele, die das Vorurteil der „faulen Jugend“ widerlegen, finden sich in dem Beitrag „Ach, du hast hier das Sagen?“. Da ist von jungen, sehr jungen Leuten die Rede, die mit einem trialen Studium gleich drei Abschlüsse parallel absolviert haben: Geselle, Meister und Bachelor, und dann z.B. das Geschäft ihrer Eltern übernahmen. Oder mit diesen ein neues Unternehmen gegründet haben. Oder in der Wirtschaft sich als junge Führungskräfte mit gestandenen und erfahrenen Mitarbeitern auseinandersetzen. So viel steht mal fest: Das hätte ich in dem Alter nicht gemacht, so viel zum Thema „verhätschelt“.
Und dann ist da noch das Beispiel der IT-Firma, die lauter junge Menschen aus aller Welt beschäftigt („Ich bin der alte Sack“). Hier finden sich diejenigen, denen es vor allem um den Spaß geht, um Work-Life-Balance, um Freunde statt Kollegen. Wo der Chef Kritik schon sehr vorsichtig formulieren muss, damit das junge Volk nicht verschnupft ist. Er fühlt sich manchmal, als befolge er „die Transportanleitung für rohe Eier“. Da sind sie also hin, die verwöhnten Millenials, es gibt sie tatsächlich. Wie vermutlich in jeder Generation …
Übrigens: Es gibt natürlich Konfliktlinien in der Gesellschaft, aber die verlaufen nun mal nicht zwischen Jung und Alt, sondern eher zwischen Arm und Reich, Stadt und Land und (in Deutschland: zwischen Ost und West). Da ist was dran.