31. März 2025

Management auf den Punkt gebracht!

Leadership-Industrie

INSPIRATION: Da ist was dran: Wenn jemand den Begriff Leadership – aber auch Führung im Deutschen – verwendet, dann schwingt da immer etwas Positives mit. Genauso beim Begriff Leader (beim deutschen Gegenstück aus bekannten Gründen eher weniger). Wobei dies vor allem für die „Leadership-Industrie“ gilt, wie Barbara Kellerman in der neues lernen erklärt („Die Leadership-Industrie nimmt das nicht ernst“). Soll heißen: Wir Normal-Sterblichen wissen durchaus, dass es sowohl schlechte als auch gute Führung gibt, aber die Branche tut so, als sei Führung grundsätzlich was positives. Gibt es ja auch woanders: Mediziner ist positiv besetzt. Wissenschaftler meist auch. Makler eher weniger.

Ich denke, dass hat etwas damit zu tun, dass man bei Leadership immer suggeriert, das sei etwas, das man kann oder nicht. Man also Talent hat oder eben nicht. Kennt man auch von anderen „Branchen“, z.B. bei Musikern. Oder Sportlern.


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Anders aber als bei Medizin, Mathematik, Sport oder Gesang gibt es bei Führung ein ganz anderes Problem: Dass nämlich niemand so genau weiß, was das ist. Rund 400 Definitionen findet man, wenn man danach sucht. Und jetzt kommt’s: Kellerman definiert einen Leader als jemand, der andere dazu bringt, das zu tun, was er oder sie möchte – „mit allen erforderlichen Mitteln.“ Bedeutet: Wenn ich jemand mit vorgehaltener Waffe dazu bringe, mir sein Handy zu überlassen, führe ich.

Eine Definition?

Das ist doch mal eine klare Definition. Wenn wir uns ihr anschließen, ist dann auch der Unterschied zwischen guter und schlechter Führung leichter zu erklären. Gute wäre dann vermutlich, wenn andere aus freien Stücken das tun, war ich ihnen vorschlage. Wobei es gar nicht so leicht wird zu erkennen, wann etwas wirklich freiwillig ist. Zum Beispiel, wenn ich keinerlei Befürchtungen hege für den Fall, dass ich ihm oder ihr nicht folge.

Was zur nächsten Frage führt: Kann man Führung überhaupt lehren? Auch wenn das nicht so im Interview steht: Für mich wäre das dann genau diese Kunst: Wie kommuniziere ich mit anderen, dass sie meinen Argumenten folgen und sich mir anschließen? Da fällt mir auf, dass dann übrigens jeder gute Verkäufer eine gute Führungskraft ist. Mmmh ….

Drei Stufen zur Leadership

Und nun wird es noch kniffliger: Kellerman erklärt, dass sie Menschen gar nicht beibringt, wie man führt (was aber die Leadership-Industrie vorgibt zu leisten). Alles was sie kann, ist Fähigkeiten und Fertigkeiten zu vermitteln, damit wird aber niemand ein großartiger Leader. So wie man einem Sportler eine Technik vermitteln kann, aber nicht, wie er zum Weltklasse-Athleten wird. Das wird man nämlich in drei Stufen:

  1. Bildung – soll heißen: Jemand durchdringt intellektuell, was Führung und Gefolgschaft heißt (also auch den Unterschied zwischen „jemanden zwingen“ und „jemanden überzeugen“)
  2. Ausbildung – soll heißen: Man eignet sich die notwendigen Fähigkeiten an, u.a. Kommunikation (na, sie an …)
  3. Entwicklung – soll heißen: Man lernt ein Leben lang und passt sich immer wieder neuen Entwicklungen an. So wie in jedem anderen Beruf

Und hier beklagt die Professorin, dass genau das nicht geschieht in der „Leadership-Industrie“. Sie verspricht, dass man in wenigen Kursen zur guten Führungskraft werden kann. Was so wäre, als würde man mit wenigen Trainingslagern zum Spitzensportler. Oder anders ausgedrückt: Was in jedem anderen Beruf eine Selbstverständlichkeit ist, gilt nicht für Führungskräfte. Die kann mit zur Not auch ohne Ausbildung auf andere loslassen.

Hier stimme ich der Wissenschaftlerin nicht zu. Führungskraft ist kein Beruf. Es ist eine Funktion in einem Kontext. Es ist kein Zufall, dass es keine Ausbildung mit dem Abschluss: Diplom-Führungskraft gibt. Es gibt sinnvollerweise Ausbildungen zum Konfliktbegleiter, zum Coach, zum Moderator, zum Lehrer – alles Dinge, die uns helfen, in der Funktion „Führungskraft“ besser klar zu kommen. Aber stellen Sie sich mal vor, Sie werden gefragt, was Sie denn gelernt haben, und Sie antworten: „Leader“. Wäre doch mehr als seltsam, oder?

Über Gefolgschaft und Kontext

Und da bin ich wieder bei der Professorin, die erklärt, dass sie nicht dazu forscht, was eine Führungskraft braucht, sondern die über die Wirkmechanismen innerhalb des Systems „Führung“. Und das besteht aus Leader, Gefolgschaft und Kontext. Und ja, ich finde in der Tat auch, dass es viel sinnvoller ist, als die 1.000-ste „Studie“ zum Thema „Was macht einen erfolgreichen Leader aus?“, zu erforschen, welche Rolle die Gefolgsleute spielen und welchen Einfluss der Kontext hat.

Dann stößt man in der Tat schnell auf die Frage: Warum nehmen Menschen schlechte Führer hin? Wieso halten sie es mit ihnen aus? Warum dulden wir schlechte Chefs, schlechte CEOs, schlechte Politiker? (Bei letzteren möchte man ergänzen: Warum wählen wir sie sogar?!?! Interessantes Forschungsfeld …).

Meine Erklärung: Weil wir uns früh mit schlechten Erziehungsberechtigten abfinden müssen, dann mit schlechten Lehrern, dann mit schlechten Ausbildern und Dozenten. Am Ende sind die meisten „weichgekocht“ und davon überzeugt, dass das nun mal der Lauf der Dinge und deshalb so hinzunehmen ist. Wer wählt denn schon seine Erziehungsberechtigten oder seine Lehrer ab?

Eine Anmerkung muss ich noch loswerden. Mir fällt immer wieder auf, dass Führung und Führungskraft synonym verwendet wird. Zum Beispiel hier: „Wir Menschen sind unheimlich schlecht darin, schlechte Führung zu stürzen!“ Warum das wohl so ist? Mein Verdacht: Weil das Konstrukt „Führung“ auf wackeligen Beinen steht. Wie an dem schönen Beispiel mit der vorgehaltenen Waffe zu erkennen ist. Oder würden Sie nach Hause kommen und sagen: „Da hat mich heute ein Leader um mein Handy gebracht?“

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Johannes Thönneßen

Dipl. Psychologe, Autor, Moderator, Mitglied eines genossenschaftlichen Wohnprojektes. Betreibt MWonline seit 1997. Schwerpunkt-Themen: Kommunikation, Führung und Personalentwicklung.

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Ein Gedanke zu “Leadership-Industrie

  1. ki sagt:

    Der Begriff „Führung“ stammt aus dem deutschen Sprachraum und leitet sich vom Verb „führen“ ab. Ursprünglich bedeutete es, jemanden oder etwas zu leiten oder zu lenken. Im Laufe der Zeit hat sich der Begriff weiterentwickelt und wird heute in verschiedenen Kontexten verwendet, insbesondere in der Wirtschaft, im Management und in der Politik, um die Leitung und Steuerung von Menschen oder Organisationen zu beschreiben.

    Goggle sagt:

    Definition: Was ist „Führung“? durch Interaktion vermittelte Ausrichtung des Handelns von Individuen und Gruppen auf die Verwirklichung vorgegebener Ziele; beinhaltet asymmetrische soziale Beziehungen der Über- und Unterordnung.

    Meine Meinung:
    Allen akademische Bemühungen gelingt folgende Weisheit nicht: Ich Chef – Du nicht.

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