KRITIK: Managementguru Michael Porter hat Top-Manager drei Monate lang begleiten und deren Arbeitstage akribisch protokollieren lassen (Wie Manager ihren Tag planen). Nun wissen wir, womit sie ihre Zeit verbringen. Vor allem aber, was und wer häufig zu kurz kommt. Ihre Arbeitstage wurden in 15-Minuten-Abschnitte unterteilt und der komplette Tag erfasst. Hier einige Zahlen: Sie arbeiten in der Woche 9,7 Stunden, am Wochenende 3,9, im Urlaub 2,4 Stunden pro Tag. Ihre Wochenarbeitszeit liegt bei 62,5 Stunden. Sie schlafen 6,9 Stunden, schalten 2,1 Stunden pro Tag ab und haben in der Regel auch ein Sportprogramm (45 Minuten).
Natürlich wurde auch geschaut, womit sie ihre Arbeitszeit verbringen. Auch dazu einige Zahlen: 21% mit Strategie, 25% mit Beziehungen. Die Kommunikation verläuft zu 61% persönlich, zu 15% per Telefon und zu 24% elektronisch. 72% ihrer Zeit verbringen sie in Meetings, 28% allein. 75% der Zeit ist verplant, 25% eben nicht und steht damit für spontane Aktivitäten zur Verfügung.
Was hilft uns all das? Herzlich wenig, weil die Streuungen enorm sind. Der eine verbringt 14% seiner Zeit mit strategischen Themen, der andere 80%. Was sollen uns da all die Durchschnittswerte sagen? Also lohnt es sich, genauer hinzuschauen. Und siehe da: Die Streuung ist bei einigen Themen in der Tat geringer, als da wären: Zeit in Meetings, persönliche Treffen, Zeit mit internen Adressaten oder verplante Zeit.
Was sagt uns das nun? Zum einen: Es hängt sicherlich von vielen Faktoren ab, in welche Aktivitäten ein Top-Manager seine Zeit investiert: Der Branche, der Situation seines Unternehmens, seine Herkunft oder seine Persönlichkeit. Kann man daraus Tipps für Führungskräfte ableiten? Michael Porter und sein Kollege Nitin Nohria haben das getan und mit den „Probanden“ anschließend über ihre persönliche Zeitplanung gesprochen. Im Interview äußert sich Tom Gentile, CEO von Spirit AeroSystems, zu seinen Lerneffekte („Zeit für Spontanes behalten“). Die Autoren haben ihm seine Ergebnisse mitgeteilt und wie er im Vergleich zu anderen liegt.
Hier seine wichtigsten Erkenntnisse:
- Er spricht seltener im Vier-Augen-Gespräch mit seinen direkten Mitarbeitern, sondern eher in Form von Meetings. Die Hypothese der Autoren: Würde er die persönlichen Gespräche verstärken, würde er vermutlich mehr delegieren. Er wird es probieren.
- Er hält kürzere Meetings ab als die meisten seiner Kollegen, hier stellte sich die Frage, ob diese sich noch weiter verkürzen ließen. Also wurden die Besprechungen auf 45 Minuten gekürzt, seine Assistentin erscheint kurz vor dem Ablauf und erinnert daran, zum Ende zu kommen.
- Er verbringt einen Großteil der Zeit, die nicht verplant ist, mit dem Bearbeiten von E-Mails, dafür nur wenig Zeit damit, durch das Unternehmen zu gehen und vor Ort sich sehen zu lassen. Letzteres hat er intensiviert.
- Er nutzt die nicht verplante Zeit kaum, um allein über wichtige Themen nachzudenken. Nun hält ihm seine Assistentin den Rücken frei, indem sie seinen Terminkalender so voll packt, dass man nicht erkennt, dass er sich eigentlich nur Zeit zum Nachdenken nimmt. Schon bezeichnend, diese „Strategie“. Warum schreibt man nicht in den Kalender „Denke nach“ und macht damit für alle anderen klar, was einem wichtig ist? Da muss sich niemand wundern, wenn alle in dem Unternehmen ständig ganz beschäftigt tun.
- Und natürlich treibt er zu wenig Sport.
Was mir dabei nicht so klar geworden ist: Wenn er für all diese Dinge mehr Zeit einräumt – was genau macht er dann weniger (außer kürzeren Meetings)? Wie auch immer – sich einmal anzuschauen, womit man seine Zeit verbringt, sollte jeder Führungskraft sich zu regelmäßigen Übung verordnen. Und sich vor allem überlegen, ob das Beantworten von Mails mehr Zeit verschlingen darf als die Anwesenheit im Unternehmen, das direkte Gespräch mit Mitarbeitern…