INSPIRATION: Nach wie vor erscheinen Artikel zum Thema „Motivation“ – mit der offenbar nicht zu beantwortenden Frage: Kann man Menschen motivieren? Oder können sie sich nur selbst motivieren? (Was treibt wirklich an?) Mir ist klar, dass ich diese Diskussion wohl kaum beenden kann. Aber mir ist schon lange danach, einmal den Versuch zu starten, etwas Systematik in die Diskussion zu bringen. Die Idee dabei: Wenn wir uns dem Problem über die unterschiedlichen Begriffe und Definitionen von Motivation nähern, könnten wir eventuell die Diskussion deutlich einfacher gestalten. Nun denn:
- Wenn wir Lust auf Bewegung, auf Unterhaltung, auf Ordnung verspüren und aktiv werden, können wir das vermutlich mit: „Ich bin motiviert…“ bezeichnen – oder genauer: Wir sind intrinsisch motiviert.
- Was aber, wenn diese Lust dadurch ausgelöst wurde, dass wir einen Jogger gesehen haben, ein Kino-Plakat oder unseren unordentlichen Schreibtisch? Sind wir hierdurch motiviert worden? Kann uns ein unordentlicher Schreibtisch motivieren?
- Was ist, wenn uns jemand bittet, ihn beim Joggen zu begleiten, mit ihm ins Kino zu gehen oder unseren Schreibtisch aufzuräumen, weil dieser ihn stört – hat dieser Jemand uns damit motiviert?
- Was ist, wenn dieser Jemand uns hierfür eine Gegenleistung bietet, z.B. in Form von Geld, einem Abendessen, dem Versprechen, uns beim Aufräumen zu helfen? Ist das auch Motivation?
- Was ist, wenn jemand nebenbei Bemerkungen fallen lässt, dass uns Joggen gut tun würde, wie schön es doch wäre, mal wieder ins Kino zu gehen statt ständig zu Hause herumzuhocken oder dass ein ordentlicher Schreibtisch seine Vorteile hätte? Und der, wenn wir dann entsprechende Anstrengungen unternehmen, uns anerkennend auf die Schulter klopft, sich lobend äußert und uns mit einem „Weiter so!“ aufmuntert? Hat er uns damit ebenfalls „motiviert“?
- Und schließlich: Wie nennen wir es, wenn jemand (oder wir selbst) ein System installiert, das jedes Joggen mit Punkten belohnt, die wir für nette Preise eintauschen können, nach jedem zehnten Kinogang eine Freikarte verspricht oder für eine Woche blanken Schreibtisch eine Prämie in Aussicht stellt? Haben wir es dann mit einem Motivationssystem zu tun?
Was unter anderem zu der bekannten Frage führt: Können Anreize die intrinsische Motivation zerstören – also joggen wir irgendwann, um die Punkte zu sammeln und hören damit auf, sobald es keine mehr gibt? Und räumen unseren Schreibtisch nur so lange auf, wie es hierfür eine Prämie gibt und lassen es sein, wenn diese gestrichen wird?
Begriffsklärung
Hier der Versuch, sich auf eine Terminologie zu verständigen, eine Ordnung in diese vielen Varianten von „Motivation“ zu bringen. Grundsätzlich gilt – hoffentlich -, dass wir selbst entscheiden, ob überhaupt, wann und in welcher Form und Intensität wir etwas tun. In all den aufgeführten Fällen. Ohne diese Annahme wären wir ausschließlich von außen gesteuert, mechanische Reaktionsmaschinen, von Motivation brauchen wir dann überhaupt nicht zu reden.
Nehmen wir dies mal als gesetzt an: Wann würden wir dann von „Motivation“ sprechen? Mein Vorschlag: Menschen sind motiviert und motivieren sich selbst. Sie entscheiden sich, ein Verhalten zu zeigen. Oder umgekehrt: Wann immer wir ein Verhalten zeigen, sind wir auch motiviert. Womit in allen Fällen (1 bis 6) Motivation vorliegt – bei demjenigen, der das Verhalten zeigt.
Die Frage ist nun, wie wir das bezeichnen wollen, was eine andere Person anstellt, um uns zu etwas zu bewegen: Sollten wir das „motivieren“ nennen? Ich plädiere dafür, hier den Begriff ganz abzuschaffen.
Schauen wir auf Fall 2: Ein Jogger löst bei uns den Wunsch aus, joggen zu gehen. Da dieser Jogger nicht mit der Absicht vor unserer Nase herumläuft, uns zum Joggen zu bewegen, fällt das eher unter Anlass oder Auslösen unseres (offenbar schon vorhandenen) Motivs, ebenfalls zu joggen. Er hat uns nicht motiviert, sondern uns an den Wunsch erinnert. Würden wir diesen Wunsch überhaupt nicht haben, könnten ganze Heerscharen vor uns herumlaufen, ohne dass wir aktiv werden.
Fall 3 sieht schon anders aus: Hier bittet uns jemand um etwas, es ist ein Wunsch, etwas für jemand anderen zu tun. Selbst wenn wir nicht motiviert sind zu joggen – wenn wir es dennoch tun, dann, um dem anderen einen Wunsch zu erfüllen. Auch hier würde ich nicht von „motivieren“ sprechen, sondern von „um etwas bitten“.
Fall 4 ist der Klassiker, an dem sich die Geister scheiden. Hier fällt nun der Begriff der „extrinsischen Motivation“. Was ist, wenn ich ohne dieses Angebot in diesem Moment gar nicht joggen will, aber das Angebot zu verlockend ist? In diesem Fall würde ich von Bezahlung reden, von einer Vereinbarung, einem Vertrag, den zwei Parteien abschließen: „Erfüllst du diese Bedingung, erhältst du dafür folgende Gegenleistung!“ Niemand spricht davon, dass er einen Handwerker „motiviert hat“, das Dach zu reparieren – er bezahlt ihn dafür, engagiert ihn usw.
Das Problem hierbei in vielen Fällen: Solche Verträge werden nicht klar formuliert und festgehalten: „Wenn Sie die Aufgabe eher abgeschlossen haben, wird es Ihr Schaden nicht sein!“ Hier werden Gegenleistungen in Aussicht gestellt, ohne sie zu konkretisieren.
Womit wir uns schon auf dem Gebiet von Fall 5 bewegen: Statt klare Absprachen zu treffen, werden vage Andeutungen gemacht, Hoffnungen geweckt, Verhalten im Nachhinein honoriert bzw. gelobt mit der Erwartung, dass der auf diese Weise „Motivierte“ dieses Verhalten auch weiterhin zeigt. In diesem Fall wäre der Begriff der Manipulation angemessen.
Bleibt Fall 6: Solche Incentive-Systeme sind eine Variante der Bezahlung (Fall 4). Hier gibt es keine Einzelverträge – „Tust du dies, erhältst du das!“ – sondern Regelungen, die eine Gegenleistung (Punkte, Prämien, Preise…) zusagen, ohne dass sie für jeden Einzelfall neu verhandelt werden müssen.
Zusammengefasst: Wir sollten von Motivation nur dann sprechen, wenn wir die persönlichen Beweggründe von Menschen meinen. Wenn es darum geht, andere zu etwas zu bewegen, dann stehen mit „Bitten“, „Bezahlen“ und „Manipulieren“ adäquate Alternativen zur Verfügung – und ein Streit darüber, wodurch Menschen nun motiviert werden, entstünde erst gar nicht.
Wie „motiviert“ man nun andere Menschen?
Was natürlich weiter diskutiert werden wird, ist die Frage, welche Form, andere Menschen zu einem Verhalten zu bewegen, die effektivste ist. Diese Frage ist selbstverständlich berechtigt. Antworten darauf gibt es genug, auch jede Menge an Untersuchungen und Experimenten.
Wir wissen, dass Manipulation, Bezahlung und Incentive-Systeme (als Sonderform der Bezahlung) ihre Wirkung erzielen. Natürlich tun Menschen Dinge, auch wenn sie vielleicht wenig „Motivation“ verspüren, wenn man ihnen nur genug dafür bietet. Und sie lassen sich auch manipulieren, das zeigen Untersuchungen zum Erfolg von Werbung und seit einiger Zeit auch die Hirnforschung. Aber beides hat neben der angestrebten Wirkung auch Nebenwirkungen.
So bleibt dann immer die Frage, ob diese Nebenwirkungen in Kauf genommen werden oder nicht. Wer für jede Leistung einen eigenen Vertrag mit festgelegter Bezahlung abschließt, der sollte mit einem extrem hohen administrativen Aufwand rechnen. Wer feste Gehälter ohne jegliche individuelle Leistungszahlungen vereinbart, der sollte wissen, dass seine Führungskräfte sich mit „Minderleistern“ auseinandersetzen müssen. Wer ein Incentive-System bzw. Prämiensystem statt fixer Bezahlung einführt, der muss damit rechnen, dass interner Wettbewerb, Konkurrenzkampf und Tricks bis hin zum Betrug, um ohne größeren Aufwand an die Prämie zu kommen, die Folge sein können. Wer manipuliert, der sollte damit rechnen, dass dies zu Abhängigkeiten und einem Klima von Misstrauen führen kann.
Die Diskussion, was daran nun „Motivation“ ist, kann man sich damit sparen. Ich bin gespannt auf Kommentare und Meinungen hierzu.