21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Probleme riechen

INSPIRATION: Das klingt wie ein Verstoß gegen jede Vorstellung der Organisationslehre: Bei Apple gibt es seit fast 25 Jahren eine klassisch funktionale Organisation. Und das in einem Unternehmen mit 137.000 Mitarbeitern. Von anfangs acht sind die Funktionsbereiche auf 17 angewachsen, und alle berichten an den CEO. Die Idee dahinter: Experten sollen von Experten geführt werden.

Da staunt man in der Tat. Die meisten Konzerne dieser Größe sind in Divisionen oder Geschäftsbereiche aufgeteilt, die wiederum für die verschiedenen Produkte und Dienstleistungen verantwortlich sind. Bei Apple mutet die Struktur antiquiert an. Es gibt Funktionsbereiche wie Design, Services, Hardware-Entwicklung, Produktion, Finanzen, Personal, Software, Marketing oder Unternehmenskommunikation. An der Spitze stehen Fachleute und keine General-Manager. Auch das verblüfft. Heißt es nicht immer, dass eben genau das ein Fehler sei, wenn die besten Experten zu Managern gemacht werden?


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Und warum machen die das?

Bei Apple glaubt man, dass es einfacher ist, aus einer Top-Expertin eine Führungskraft zu machen als umgekehrt. Warum legt man so viel Wert auf das Fachwissen und Erfahrung? Weil man Top-Ergebnisse und die bei Apple über allem stehende Qualität nur dann erreichen kann, wenn die Entscheidungen von Top-Experten getroffen werden (Wie Apple Innovationen fördert).

Lässt sich gut nachvollziehen, oder? Wenn also ein Top-Programmierer an der Spitze der Softwareentwicklung steht, ein Spitzen-Ingenieur die Produktion leitet, eine Finanzfachexpertin die Finanzabteilung, dann werden diese Manager von den Top-Leuten in ihrem Bereich akzeptiert und geachtet, sie können miteinander reden. Und sie können kompetente Entscheidungen treffen. Anders als Manager, die eben nicht vom Fach sind und sich auf das verlassen müssen, was ihnen die Experten empfehlen. Ein Prinzip lautet: „Führungskräfte sollten die Details ihrer Organisation auch noch drei Ebenen unter sich kennen.“ Nur wenn sie so tief in der Materie stecken, „können sie die Probleme praktisch riechen.“

Und was braucht man dafür?

Dann brauchen diese Top-Experten an der Spitze nur noch zwei Fähigkeiten, die sie neben ihrer Fachexpertise zum Top-Manager machen, als da wären: Die richtige Balance zwischen Kundennutzen und Kostenüberlegungen finden können. Und die Bereitschaft, in einem „kollektiven Entscheidungsprozess gemeinsam über andere Funktionen zu diskutieren“. Klingt doch ganz einfach, oder?

Naja, ist es natürlich nicht. Denn egal, wie viel Fachwissen und Erfahrung ein Experte in einer Top-Management-Position hat – er kann nicht in jedem Bereich dieser absolute Experte sein. Eine kleine Matrix macht das deutlich: Es gibt einen Bereich, in dem er Wissen besitzt, er eben der echte Experte ist. Am Beispiel des App-Chefs wird gezeigt, dass dieser (nach eigener Einschätzung) hierein die meiste Zeit steckt (40%). Dann gibt es Bereiche, in denen er dazulernt, sich neues Wissen aneignet. Hierfür verwendet er auch viel Zeit (30%). Dazu kommt, dass er sein Wissen weitergibt, um andere Experten in seinem Gebiet fit zu machen (15%). Und schließlich delegiert er dann doch einige Gebiete an andere, die mehr Ahnung haben – eben weil er nicht überall der „Beste“ sein kann. Aber der Anteil ist eben nicht sonderlich groß.

Anforderungen an die Rolle eines Managers

Der Manager bei Apple ist also in erster Linie Experte, dann Lernender, dazu Lehrer und in geringem Anteil klassischer Manager – was in der Tat eine andere Auffassung von der Rolle eines Managers darstellt als allgemein üblich. Es scheint zu funktionieren. Es bedeutet, dass sich die verschiedenen Funktionen gut abstimmen und in der Lage sein müssen, gemeinsam Entscheidungen zu treffen. Organisatorisch passt dazu, dass die Boni der oberen Ränge nicht an den Erfolgen ihrer Bereiche und dem Erreichen kurzfristiger Gewinn- und Kostenziele bemessen werden, sondern an unternehmensweiten Erfolgskennzahlen.

Wie schwierig die Abstimmungsprozesse sind, machen die Autoren im Harvard Business Manager an Beispielen deutlich, die beeindrucken. Da geht es um winzige Details wie die Rundungen beim iPhone oder bei neuen Kameratechnologien. Offenbar müssen sich die verschiedenen Funktionsbereiche verständigen und einigen, und erst wenn das nicht gelingt, kommt ein „Tiebreaker“ ins Spiel, ein höherrangiger Manager, am Ende der CEO, der bei Stimmengleichheit den Ausschlag gibt.

Dass angesichts des gewaltigen Wachstums des Unternehmens als auch des Portfolios dieses System funktioniert, ist beeindruckend. Der Beitrag stammt übrigens von zwei Dozenten der Apple University, die Führungskräfte ausbilden. Ihr Modell nennt sich „Führung nach eigenem Ermessen“, das sicherstellen soll, dass derjenige entscheidet, der auch die notwendige Expertise besitzt.

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