INSPIRATION: Immer mehr Menschen wollen weniger arbeiten, wollen mehr Zeit für Familie und Hobbys. Viele fragen schon im Bewerbungsgespräch danach – irritierend für so manchen Personaler. Die Realität ändert sich nur langsam, wobei ein Gesetz helfen kann.
Kürzlich erzählte mir ein Unternehmer völlig konsterniert, dass junge Bewerber von vornherein klarstellten, dass für sie eine Vollzeitstelle nicht in Frage kommt, weil sie ja schließlich jeden Donnerstag Nachmittag zum Yoga gehen und außerdem auch noch ein Leben neben dem Beruf haben. Er schickte sie gleich wieder vom Hof. Vielleicht etwas voreilig, denn die Einstellung ändert sich offenbar bei vielen Menschen. Fast jeder zweite will angeblich weniger arbeiten (Mit halber Kraft).
Dem entgegen steht die Statistik, dass in 2017 in Deutschland 2,1 Milliarden Überstunden gemacht wurden und für viele selbst die 40 Wochenstunden nicht reichen. Aber selbst wo es möglich ist, tun sich viele immer noch schwer, den Chef zu fragen, ob er Teilzeit genehmigt. Sie fürchten, damit von möglichen Karriereschritten ausgeschlossen zu sein. Ist ja auch nachvollziehbar: Wer seltener vor Ort ist, der kriegt weniger mit, ist weniger sichtbar und man bekommt vor allem weniger „Führungsanspruch“ unterstellt.
Recht auf Teilzeit
Nun ist ein Gesetz in Kraft, nach dem in Unternehmen mit mehr als 45 Angestellten die Mitarbeiter zwischen einem und fünf Jahren Teilzeit beantragen können und in dieser Zeit ein Recht auf Rückkehr auf eine volle Stelle haben. Die Idee dabei: Man muss weniger fürchten, als Teilzeitler abgestempelt zu werden. Ob’s hilft, wird sich zeigen und nicht auf Dauer „festhängt“.
Aber unabhängig davon ist es offenbar in einigen Unternehmen jetzt schon möglich, Führungsaufgaben in Teilzeit zu bewältigen. Eine Frage der Organisation, wobei moderne Kommunikationsmedien eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Vor allem: Diese Führungskräfte sind gezwungen, mehr zu delegieren, Aufgaben abzugeben, sich besser zu organisieren. Wohl dem, der das kann und dazu bereit ist. Auch eine Variante: Zwei Teilzeitler teilen sich eine Führungsrolle – aber auch das erfordert viel Absprache und Disziplin.
Apropos organisieren: Das Thema wird sicher immer wichtiger. In einer Berufswelt, in der Flexibilität und Agilität gefordert werden, ist es vorbei mit festen Arbeitszeiten, – keine große Überraschung. Wenn man nun auf Teilzeit geht und sich mit seinem Partner überlegen muss, wer wann zu Hause ist, wie man sich die Aufgaben in der Familie teilt und dann auch noch seinen regelmäßigen Sport ausüben will, dann sind wahre Orgainsationskünste gefragt. Das war schon einfacher in den Zeiten, in denen der eine von acht bis siebzehn Uhr „auf der Arbeit“ war und der andere sich um Haus und Kinder kümmerte. Der Preis der Freiheit.
Was meinen Unternehmer betrifft: Er wird sich sicherlich umstellen müssen und den Wunsch: „Ich habe donnerstags immer Yoga“ nicht mehr zwangsläufig als fehlende Leistungsbereitschaft interpretieren. In dem Beitrag der Wirtschaftswoche (Mit halber Kraft) gibt es anschauliche Beispiele von Unternehmen, die steigende Bewerberzahlen verzeichnen, seitdem sie das Thema „Teilzeit auch für Führungskräfte“ offensiver vermarkten.