INSPIRATION: Würden Sie Ihrem Chef erzählen, dass Sie an einer chronischen Krankheit leiden? Oder würden Sie das lieber für sich behalten? Was sich wie ein sehr theoretischer Fall anhört, ist in der Praxis gar nicht so selten: Laut einer Studie gibt es in jedem zweiten Haushalt jemanden, der an einer solchen Krankheit leidet. 40% der Männer zwischen 35 und 59 litten in 2017 mindestens an einer dauerhaften Erkrankung, bei den Frauen waren es sogar 48%.
Das ist bemerkenswert und ziemlich beängstigend.
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Angeblich tun sich viele Menschen schwer, ihr Leiden ihrem Arbeitgeber oder den Kollegen mitzuteilen (Soll ich es den Kollegen sagen?). Das klingt nicht vernünftig und ist es in der Regel auch nicht. Warum scheuen sie dann das „Outing“? Sie fürchten offenbar Nachteile, „das Risiko einer unfreiwilligen Stigmatisierung“. Als Beispiele werden HIV-Infizierung, Morbus Crohn, Rheuma, Multiple Sklerose u.a. angeführt. Eine Sorge ist, Vorurteilen ausgesetzt zu sein, z.B. dass man weniger leistungsfähig sein könnte.
2 Seiten der Medaille
Wie so oft bei solchen Themen kann und sollte man das Problem aus zwei Richtungen betrachten – aus der des Betroffenen und aus der des Arbeitgebers. Die Empfehlung der Experten ist eindeutig: In der Regel bringt ein Outing Erleichterung, wie die Beispiele in dem Beitrag zeigen. Wer jahrelang versucht, sein Leiden geheim zu halten und dann doch irgendwann sich nicht anders zu helfen weiß und sich öffnet, der fragt sich meist, warum er das nicht schon längst getan hat.
Solche Mitarbeiter waren anschließend „zufriedener, sie arbeiteten produktiver, engagierter, couragierter und gelassener“. Ganz interessant – dieses Ergebnis zeigte sich bei „unsichtbaren Stigmata“, also Erkrankungen, die man den Kollegen nicht ansah. Sprachen die Betroffenen aber über sichtbare Merkmale, blieb der Effekt aus. Offenbar wurde das mehr als „Wichtigtuerei“ und um Mitleid heischen interpretiert. Wer über seine Erkrankung spricht, die man ihm ohnehin ansieht, darf also nicht unbedingt auf Verständnis hoffen.
Womit man bei der anderen Seite ist. Kann ein Arbeitgeber Rahmenbedingungen schaffen, unter den Menschen sich leichter tun, über ihre Probleme, in diesem Fall ihre chronischen Krankheiten, zu sprechen? Zwei Merkmale erleichtern die Entscheidung: Ein gutes Verhältnis zum direkten Vorgesetzten und das Angebot von Unterstützung. Zum Beispiel in Form von flexiblen Arbeitszeiten, die hier am häufigsten genannte Maßnahme. Oder der Wechsel auf eine Tätigkeit, bei der die Krankheit weniger einschränkend ist. Oft braucht es gar keine großen Veränderungen, eher kleine Anpassungen.
„Mehr Aufklärung, weniger Scheu und Angst …“ wünschen sich die Betroffenen. Stellt sich die Frage, wer für die Aufklärung der Kollegen und Führungskräfte zuständig ist. Ich erinnere mich an einen Kollegen, dessen Aufgabe es war, im Unternehmen über Suchterkrankungen aufzuklären – eine Daueraufgabe. Warum dann nicht auch regelmäßig über chronische Erkrankungen informieren? Das müssen ja keine Tagesseminare sein.