26. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Makellose Lichtgestalten

INSPIRATION: Eine Aussage in Frage zu stellen, nicht, weil man sachliche Einwände hätte, sondern weil sie von einer bestimmten Person stammen, ist sicher kein neues Phänomen. Schon klar, bei manchen Menschen erwartet man von vornherein keine besonders sinnvollen Beiträge. Aber eigentlich sollte es möglich sein, Inhalte und Person zu trennen, oder? Das aber fällt uns in Zeiten, in denen viel Unsinn bis hin zu „Fake News“ verbreitet werden, immer schwerer.

Ich gebe zu: Wenn ich Äußerungen bestimmter Politiker oder Kommentatoren höre, dann verdrehe ich schon die Augen, bevor sie einen Satz beendet haben. Einfach weil meine Erfahrung zeigt, dass von ihnen selten etwas Sinnvolles geäußert wird. Aber schwierig wird es, wenn „Diskursteilnehmer als Personenn infrage gestellt werden“. Etwa „weil sie zu einer privilegierten Schicht gehören“ oder weil man „ihre moralische Integrität generell infrage“ stellt (Das Bedürfnis nach moralischer Reinheit hat bisweilen fast etwas Religiöses).


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Vor allem, aber längst nicht nur, in der Wissenschaft ist das fatal. Natürlich kommt es vor, dass jemand, der hochgradig wertvolle Erkenntnisse beigesteuert hat, auf anderen Gebieten fragwürdige Äußerungen tätigt. Man stelle sich vor, ein Naturwissenschaftler hat epochale Beiträge in seinem Fachgebiet geleistet, aber Beiträge von ihm in anderen Zusammenhängen enthalten rassistische Äußerungen. Wie sinnvoll, aber nicht ungewöhnlich ist es, dass dann auch seine Legitimation als Naturwissenschaftler in Frage gestellt wird?

Diskurs erschweren

Markus Rieger-Ladich konstatiert ein „starkes Bedürfnis nach makellosen Lichtgestalten“. Um Menschen inhaltlich zu vertrauen, müssen „in jedem Detail moralisch einwandfrei sein“. Das macht es – nicht nur in der Wissenschaft – immer schwieriger, „eine möglichst differenzierte Position zu entwickeln“. Beteiligen darf sich dann nur noch derjenige, dem nicht der kleinste moralische Lapsus unterlaufen ist. Schwierig, oder? Können wir überhaupt zwischen Inhalten und Personen trennen? Sinnvoll wäre es, sicher.

Es gibt zudem eine weitere Nebenwirkung dieser überzogenen Ansprüchen an die Unfehlbarkeit von Personen. Dass wir nämlich immer vorsichtiger werden, wenn es darum geht, klare Positionen zu beziehen. Denn dann könnte ja jemand später um die Ecke kommen und daran erinnern: „Sind Sie nicht derjenige, der damals vertreten hat, dass …?“ Also neigen Menschen, auch an den Hochschulen, immer häufiger dazu, Positionen zu vertreten, von denen sie annehmen, dass sie konsensfähig sind. Das wiederum geht so weit, dass man sich selbst reflektiert (was grundsätzlich sehr zu begrüßen ist) und das so eloquent darstellt (nach dem Motto: „Ich weiß, dass ich zu einer privilegierten Schicht gehöre …“ oder „Ich bin sicherlich nicht ohne Fehl und Tadel …“), dass man sich schon damit einen Vorteil verschafft im Kampf um attraktive Jobs. Selbstreflexion als Elitenprojekt.

Gezielte Suche nach Fehlern

Aber zurück zu dem Eingangsproblem: Die Sehnsucht nach den Lichtgestalten ist auf der anderen Seite eng verbunden mit der Suche nach schwarzen Flecken auf der scheinbar weißen Weste. Wie häufig wird im Privatleben von Prominenten herumgestöbert, auch nur der leiseste Verdacht veröffentlicht, auf den sich alle mit Genuss stürzen? Um dann denjenigen auf seinem eigentlich Gebiet zu diskreditieren. Auch das ist nicht neu, aber offenbar viel leichter durch die modernen Medien. Und wenn man nichts findet, wird eben etwas erfunden.

Umgekehrt beobachte ich, wie häufig anerkannte Fachleute zu völlig anderen Themen befragt werden – wunderbar immer wieder bei Sportlern oder Trainern zu beobachten. Wir glauben offenbar, wenn jemand auf einem Gebiet Großes leistet, seine Ausführungen auch bei anderen Themen bedeutsam sein müssten. Schön zu sehen, wie einige von ihnen der Versuchung widerstehen und auf die „wahren“ Experten verweisen.

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