21. November 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Schräge Vergleiche

INSPIRATION: Vergleiche hinken, sagt der Volksmund. Aber gelegentlich treffen sie dermaßen ins Schwarze, dass einem das Lachen über den bildhaften Vergleich schier im Halse steckenbleibt. So auch bei dieser wunderschönen, nachdenklich machenden Metapher …

Das kennt jede(r): Eine Zimmerpflanze gedeiht nicht. Das ist traurig – und unschön. Schließlich hatte man sich das anders vorgestellt. Was tun? Und jetzt kommt die unglaubliche Metapher: Man stelle sich vor, die Dame oder der Herr des Hauses schickt die Pflanze nun ins Coaching oder auf einen Workshop. Oder man hält eine flammende Motivationsrede vor ihr, damit sie endlich schneller wächst. Was man noch toppen kann: Man schreit sie an! Droht ihr vielleicht mit „Kündigung“ …


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Tja, das Gras wächst nicht schneller, wenn man an ihm zieht, werden erfahrene Zeitgenossen kommentieren. Und die Autorinnen (Arbeitsgestaltung erleichtert den Change) argumentieren ähnlich: Wie wäre es, wenn wir es einmal mit Wässern oder Düngen probierten? Vielleicht braucht die Pflanze auch mehr Sonne? Oder weniger Zugluft? Und wie sieht es mit der Temperatur aus? Zu kalt? Kontextsteuerung würden das systemisch Denkende nennen.

Theorie X oder Y?

Sie ahnen, was jetzt kommt: Warum schicken wir Mitarbeitende ins Coaching? Warum beleidigen wir sie mit Motivationsreden? Warum verordnen wir „Druckbetankungen“? Weil wir unterstellen, dass die Mitarbeitenden nicht wollen. Warum bloß? Hat uns Douglas McGregor nicht schon in den 1960er-Jahren die Leviten gelesen? Theorie X: Das ist das Menschenbild des Taylorismus. Menschen seien von Natur aus faul. Man müsse sie zum Jagen tragen. Zwingen, anreizen, korrumpieren … von allein würde niemand arbeiten. Was für eine fatale und unproduktive Unterstellung!

So ist es nämlich gar nicht, sagte McGregor. Im Gegenteil: Die Mitarbeitenden haben Spaß an körperlicher und geistiger Anstrengung, sogar an Verausgabung. Vorstellungskraft, Urteilsvermögen und Erfindungsgabe für die Lösung organisatorischer Probleme ist in der Bevölkerung weit verbreitet. Mitarbeitende suchen sogar Verantwortung, wenn die Bedingungen stimmen. Überhaupt sind sie ein Potenzial für die Unternehmen (Theorie Y).

Human Resources

Man muss sie nur lassen, die Mitarbeitenden. Und man muss sie richtig pflegen, um im Bild des Gärtners zu bleiben. Dazu gehört sicher auch die Kompetenzentwicklung. Aber dazu gehören auch die Arbeitsbedingungen. Diese müssen förderlich sein und zur Mitarbeiterin passen. Damit wären wir beim Thema Arbeitsgestaltung. Beileibe kein neues Thema. Das ist hundert Jahre altes, arbeitspsychologisches Einmaleins. Und daher sind die Erkenntnisse, die die Autorinnen aus einer wissenschaftlichen Studie ziehen, für mich auch überhaupt nicht spektakulär. „Die wahrgenommene Komplexität und Autonomie im Job spielen eine wichtige Rolle dafür, in welchem Umfang Mitarbeitende Veränderungen – wie eben die Einführung einer neuen Technologie – durch ihr Verhalten unterstützen. Des Weiteren ist auch das soziale Arbeitsumfeld eine wichtige Energiequelle für Veränderungen.“

Nichts anderes haben Hackman und Oldham schon in den 1970er-Jahren herausgefunden (Job-Characteristic-Theorie). Immer wieder hat sich die Arbeitspsychologie hierauf bezogen. Was liefern die Autorinnen Fasbender und Gerpott (Arbeitsgestaltung erleichtert den Change) nun an neuen Erkenntnissen? „Wir fanden zunächst heraus, dass Komplexität die Unterstützung von Veränderungen fördert.“ Nun, das finde ich so überraschend nicht. Mitarbeitende wollen sich beweisen. Die Komplexität sollte allerdings im „grünen Bereich“ bleiben. Man sollte sie nicht überfordern, so die Autorinnen. Auch das ist nicht neu. Ebenso wenig wie die Rolle der Autonomie. Wunderbar zusammengefasst finden wir all das im Konzept des Empowerments (Mit Empowerment zu New Work).

Geschenkt! Aber das Bild der Pflanzenpflege ist so treffend, dass ich es gerne aufgegriffen habe. Es müssen eben immer zwei Dinge zusammenpassen: Pflanze und Ökosystem. Das erinnert mich an Saint-Exupérys Buch Der kleine Prinz: „Blumen sind voller Widersprüche!“ Nicht, dass mir das jetzt hinter meinem Rücken als Feel-Good-Management umgedeutet wird: Pampern der Mitarbeitenden „bis der Arzt kommt“.

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