INSPIRATION: Eine große Sorge jedes Recruiters: Sagt der Bewerber die Wahrheit? Woran erkennt er, ob der Kandidat lügt? Oder zumindest übertreibt, sich in besonders positivem Licht darstellt? So viel ist sicher: Im Bewerbungsgespräch wird selten völlig offen gesprochen. Wie groß ist die Gefahr, darauf hereinzufallen? Und was, wenn er uns tatsächlich getäuscht hat?
Bei der Auswertung zahlreicher Studien zu diesem Thema kommen die Autoren in der Wirtschaftspsychologie aktuell (Faking in Bewerbungsgesprächen) zu dem Ergebnis, dass man sich keine allzu große Sorgen machen muss. Es stimmt zwar, dass fast jeder im Einstelllungsinterview an der Wahrheit schraubt, was je nach Persönlichkeit unterschiedlich stark geschieht, auch in Abhängigkeit von der jeweiligen Situation des Bewerbers. Nachvollziehbar: Wenn jemand verzweifelt nach einer Beschäftigung sucht, ist die Versuchung größer als wenn er völlig entspannt auf Jobsuche ist.
Was man auch vergessen kann: Die Hinweise, an welchem Verhalten man Lügen angeblich erkennen kann, nutzen wenig. Sowohl Blickkontakt als auch sichtbare Unruhe stehen nicht im Zusammenhang zu falschen Angaben. Ebenso ist es ein Trugschluss zu glauben, erfahrene Interviewer würden Lügen besser erkennen. Noch ein Irrtum: Wer durch gezieltes Nachfragen den Bewerber „erwischen“ will, erreicht eher das Gegenteil: Der Kandidat wird noch mehr Täuschungsverhalten zeigen.
Was sicherlich einen Einfluss hat ist die Art der Fragen. Wer konkrete Kenntnisse abfragt, wird weniger belogen – ist ja logisch. Wer sich nach der größten Schwäche erkundigt, muss einfach damit rechnen, nicht die ehrliche Antwort zu bekommen, die er gerne hätte. Meinungen und Einstellungen oder hypothetisches Verhalten (was würden Sie tun, wenn…?) zu ermitteln, führt auch nicht unbedingt zu wahrhaftigen Aussagen.
Bleibt die Frage, ob ein Bewerber sich durch „Faking“ (so heißt das heutzutage) überhaupt einen Vorteil verschafft. Die Studien hierzu ergeben kein einheitliches Bild, aber die Tendenz geht schon dahin, dass Kandidaten, die sich bewusst positiver darstellen, einen Vorteil haben. Aber ist das überhaupt ein Problem? Denn letztlich geht es ja darum, die geeignetsten Leute für eine Position zu finden. Da möchte man nicht gerne auf Basis falscher Aussagen entscheiden.
Hier die interessante Erkenntnis: Kandidaten, die erahnen, was die Interviewer hören wollen und sich dann in ihren Antworten geschickt anpassen, ohne dass der Schwindel auffällt, sind vermutlich entsprechend (sozial) intelligent genug, sich auch später im Berufsleben auf das Wesentliche einzustellen. Sie erkennen, worauf es ankommt – was will man mehr als Arbeitgeber?
In Sachen Motivation bleiben dabei Fragezeichen. Soll heißen: Man sollte sich nicht auf Aussagen verlassen, was das Engagement und den Einsatz betrifft. Hier ist das Einholen von Referenzen die bessere Methode, lautet die Schlussfolgerung der Autoren.