KRITIK: Man nehme vier Merkmale, die eine Top-Führungskraft auszeichnet, bestimme die wichtigsten Kompetenzen, über die Führungskräfte im Unternehmen verfügen sollen, beurteile dann das Potenzial des vorhandenen Personals, vergleiche die Kandidaten und entwickle sie weiter.
Kommt Ihnen das vertraut vor? Seit vielen Jahren erklären uns die Experten wie die von Egon Zehnder, dass auf diese Weise Führungskräfteentwicklung stattzufinden hat. Im Harvard Business Manager (Aus Potenzial wird Kompetenz) nun wird uns nun sogar erklärt, dass dies ein neuer Ansatz sei – sehr seltsam.
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Vielleicht sind es ja die hier beschriebenen Merkmale, als da wären:
- Neugier
- Verständnis
- Engagement
- Entschlossenheit
Diese kann man nach den Autoren des Personalberaters „messen und vergleichen„. Was die Headhunter natürlich gemacht haben und dabei „Manager aus Tausenden von Unternehmen und aus alle Branchen“ verglichen haben.
Nachdem wir nun wissen, welche Eigenschaften erfolgreiche Manager auf jeden Fall haben müssen, können wir uns den Kompetenzen zuwenden. Die, so das immer wieder geäußerte Credo, muss jedes Unternehmen für sich finden. Hier kommt die Auswahl derjenigen, auf die es ankommt. Wobei jede Kompetenz sieben Entwicklungsstufen beinhaltet, von 1 (Ausgangsbasis) bis 7 (außerordentlich).
- Ergebnisorientierung (von „schließt Aufgaben ab“ bis „verändert das Geschäftsmodell“)
- Strategieentwicklug (von „Versteht akut auftretende Probleme“ bis „entwickelt eine bahnbrechende Unternehmensstrategie“)
- Zuammenarbeit und Einfluss (von „Antwortet auf Anfragen“ bis „schmiedet zukunftsgerichtete Partnerschaften“)
- Teamführung (….)
- Entwicklung organisatorischer Fähigkeiten
- Change-Leadership
- Martkverständnis
- Integrationsfähigkeit
Wenn ich das nun richtig verstehe, wird zuerst ein Profil festgelegt, das man sich für die Top-Positionen bzw. die zu besetzende Stelle wünscht. Da mag es in einem Unternehmen reichen, wenn bei Teamführung Stufe 3 („bekommt Input vom Team“) erreicht wird, in einer anderen muss es Stufe 6 („Motiviert verschiedene Teams, mehr zu leisten“) sein.
Wenn dieses Wunschprofil steht, wird das Potenzial der Kandidaten „gemessen“. Das erkennt man daran, wie stark die eingangs erwähnten „Merkmale“ ausgeprägt sind, also Neugier, Verständnis, Engagement und Entschlossenheit. Diese entscheiden nämlich darüber, wie weit es jemand bei den Kompetenzen bringen kann. Die Kompetenz „Ergebnisorientierung“ etwa hängt von den Merkmalen Entschlossenheit und Neugier ab. Die Skala je Merkmal reicht von 1 (aufstrebend) bis 4 (außerordentlich). Gemessen wird mit offenen, forschenden Fragen.
Und Sie messen das derzeitige Kompetenz-Niveau auf den beschriebenen Skalen von 1 bis 7. Das sieht dann so aus, dass Kandidat A bei Ergebnisorientierung zur Zeit auf Stufe 4 („Übertrifft Ziele“) steht, aber in Sachen Neugier und Entschlossenheit nicht sonderlich hoch eingeschätzt wird, hier wenig Potenzial hat, also nicht mehr über 4 hinauskommen wird. Kandidat B steht vielleicht auch bei 4, aber er ist viel entschlossener und neugieriger, also kann er noch Stufe 6 erreichen.
Und dann wird fleißig entwickelt. Wie? Man steckt die Kandidaten in Projekte, gibt ihnen kleine Teams, lässt sie in andere Jobs rotieren und begleitet all das mit Coaching.
Was ist an all dem neu? Gar nichts. Um es mal drastisch auszudrücken: Dieses personenzentrierte Vorgehen verkaufen uns die Berater seit 30 Jahren, verblüffend, dass dieser Quatsch weiterhin veröffentlicht wird. Erstaunlich auch, dass es offenbar immer noch gelingt, durch angebliche „Messungen“, die in Durchschnittswerte und bunte Grafiken münden, Auftraggeber zu überzeugen. Als ob sich solche komplexen Fähigkeiten tatsächlich messen ließen.
Zudem ist ja albern, dass Unternehmer, die Kandidaten für Top-Positionen suchen, diese Verfahren selbst anwenden und Interviews nach dem hier vorgestellten Muster durchführen. Es geht darum, Management-Audits zu verkaufen, was offenbar immer noch funktioniert…