KRITIK: Unser Gesprächspartner am anderen Ende der Service-Hotline nimmt unseren Beschwerdeanruf entgegen und bekommt am Bildschirm angezeigt, ob wir sehr verärgert sind oder noch einigermaßen gefasst. Und wie aufgeregt er selbst ist. Stimmanalyse-Software kann aber noch viel mehr, zum Beispiel Krankheiten diagnostizieren. Wollen wir all das?
Die Zeit scheint reif für Sprachanalyse-Software. Wir haben angefangen, mit unserem Smartphone oder merkwürdigen Boxen in unserer Wohnung zu reden, und die Geräte reagieren. Dass dabei Daten erhoben werden, ist uns klar. Dass diese Daten auch ausgewertet werden können bezüglich unserer Befindlichkeit, erscheint nur allzu logisch. Sammelt man genügend Daten ein, lassen sich aus wenigen Sekunden Aufnahme mehr als 6.000 verschiedene Parameter herausfiltern (Unsere Stimme verrät unsere Stimmung).
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Die Entwicklung ist soweit fortgeschritten, dass aus Tonhöhe, Klang, Betonung und Rhythmus z.B. unser Alter, das Geschlecht und „mehr als 50 verschieden emotionale Zustände“ erkannt werden. Naja, könnte man sagen, Alter und Geschlecht erkennt jeder Mensch auch in etwa. Und ein einigermaßen geübter Zuhörer hört auch heraus, wie sich der andere fühlt.
Also was soll’s?
Aber was, wenn das Unternehmen, bei dem ich anrufe, die Daten mit meiner Telefon-Nummer verknüpft und mich bei meinem nächsten Anruf so richtig lange warten lässt, weil ich beim letzten Mal ziemlich unfreundlich geklungen habe? Alles nicht so wirklich tragisch, aber es geht weiter:
Meine Stimme soll auch verraten, ob sich eine Depression ankündigt. Ebenso die Parkinsonsche Krankheit oder multiple Sklerose. Wobei die Experten schon warnen: Ob einfach nur Traurigkeit oder Depression ist auch für eine noch so ausgereifte Software nicht unbedingt zu erkennen.
Nun kann das mit Parkinson oder multiplere Sklerose in der Tat ein Segen sein – wenn unsere Stimme das lange vor allen anderen Symptomen verrät. Wenn die Daten an der richtigen Stelle erhoben werden. Aber wenn Amazon schon davon träumt, dass ihre Sprachbox Krankheiten erkennt und dann Medikamente zum Bestellen anbietet, dann gruselt es den Leser so richtig. Und noch weiter gedacht: Die Software wird von Unternehmen eingesetzt, die auf Bewerbersuche sind … Und dann feststellen, welche Krankheit der Bewerber womöglich hat, lange bevor dieser das selbst weiß …
Ich stelle mir vor, mein Smartphone signalisiert mir, dass ich gerade in eine trübe Stimmung gerate und spielt mir fröhliche Musik vor. Dann kann ich es einfach abschalten, wenn ich dazu keine Lust habe. Und ich muss mir auch von keiner Sprachbox Einkaufsvorschläge für Medikamente machen lassen. Aber ich könnte die Technik durchaus nutzen, um mir zum Beispiel die Wirkung von Entspannungsübungen zurückzuspiegeln, Stichwort Bio-Feedback. Aber wer garantiert mir denn, dass Krankenkassen, Behörden und Headhunter die technischen Möglichkeiten nicht nutzen? Damit sind wir wieder bei Fluch und Segen moderner Technik.