7. Oktober 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Stellung beziehen

INSPIRATION: Eine Transgender-Influencerin macht bezahlte Werbung für ein Bier, daraufhin verurteilen konservative Gruppen die Marke scharf und rufen zum Boykott auf. Das Unternehmen reagiert erst zwei Wochen später und vermeidet eine klare Stellungnahme. Der Konzern verliert knapp 400 Millionen Dollar Umsatz und die Marke ihren Platz als meistverkaufte Biersorte der USA.

Drei Forscher*innen haben sich intensiv mit den Ergebnissen des Edelman Trust Barometers auseinander gesetzt und leiten hieraus Empfehlungen für Unternehmen zum Umgang mit schwierigen gesellschaftlichen Themen ab (Nichts gesagt ist auch kommuniziert). Eine Erkenntnis: Entscheidend ist weniger ein konkreter Anlass selbst, sondern die Art und Weise, wie ein Unternehmen hierauf reagiert. Dennoch sollte man nicht warten, bis sich die Gelegenheit dazu ergibt, sondern vorbereitet sein. Und dabei hilft zu wissen, was Menschen eigentlich von Wirtschaftsunternehmen erwarten.


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Insgesamt wurden dazu in drei Befragungen die Meinungen von über 75.000 Menschen in 28 Ländern erfasst. Das zentrale Ergebnis: Zwar sehen 85% der Befragten als Hauptaufgabe die Herstellung von Produkten und die Schaffung von Arbeitsplätzen. Aber 75% nannten auch die gesellschaftliche Verantwortung (Klimawandel, Diskriminierung, lokales Umfeld, Armut und die Lösung von Problemen, die von Regierungen nicht bewältigt werden), und hier hapert es: Die Lücke zwischen dem, was die Menschen erwarten und dem, was die Unternehmen hier leisten, ist erheblich. Das wird auch deutlich, wenn sich der Blick auf die wichtigsten Stakeholder richtet: Lediglich die Interessen der Eigentümer werden aus Sicht der Befragten erfüllt, bei den Beschäftigten, den Kunden, den Menschen rund um die Standorte und den künftigen Generationen tut sich eine Lücke auf.

Alle Stakeholder im Blick behalten

Was also tun? Die Autoren gehen das Thema sehr differenziert an. Und das empfehlen sie auch den Unternehmen. Es fängt an mit den Stakeholdern: Unternehmen sollten deren Bedürfnisse und Interessen kennen und „dafür sorgen, dass ihre Stimmen gehört werden“. Gemeint sind alle oben genannten Gruppen, und eben nicht nur Kunden und Mitarbeitende. Oder gar nur die Shareholder. Und die Unternehmen sollten die Themen verfolgen, die den Stakeholdern wichtig sind, am besten eine „dynamische Übersichtskarte der Themenprioritäten entwickeln“. Dann werden sie feststellen, bei welchen Themen sie Stellung beziehen müssen, auch dann, wenn die Interessengruppen durchaus unterschiedliche Meinungen haben.

Genau dann wird es spannend. Denn dann wird man entscheiden müssen, welche Stakeholder man enttäuschen muss. Tipp der Autoren: Keine der Gruppen sollte immer Vorrang haben – es hängt vom jeweiligen Thema ab. Kriterien können sein: Wer trägt am meisten zum langfristigen Erfolg des Unternehmens bei (wohlgemerkt: langfristig!) und wer ist von einem Beschluss am meisten betroffen. Interessant: Die Befragten waren zum Großteil der Meinung, dass neben dem Wohlergehen des Unternehmen die Position vertreten werden sollte, die nach Ansicht des Managements moralisch richtig ist. Das kann dann zu echten Dilemmata führen.

Ein schönes Beispiel ist das der Kaufhauskette Walmart. Dort führte man strengere Regeln beim Verkauf von Waffen ein, als dies gesetzlich vorgeschrieben war und verbannte halbautomatische Waffen ganz aus den Regalen. Es gab natürlich Proteste, aber das Unternehmen stand zu seiner Entscheidung und betonte gleichzeitig, sich weiterhin für Jagd und Schießsport zu engagieren. Es gab kein Desaster wie bei der eingangs vorgestellten Biermarke.

Engagement lohnt sich

Grundsätzlich gilt wohl: Engagement lohnt sich immer. Es stärkt die Kundentreue und hilft im Kampf um Talente. Und es zieht sogar Investoren an – zumindest Kleinaktionäre. Aber auch die Großen betonen, dass sie solche Aspekte mit einbeziehen. Allerdings: Niemand erwartet, dass Unternehmen sich zu jedem Thema äußern. Woran macht man also fest, ob ein Thema relevant ist? Die Antwort:

  • Alle Themen, die Kunden oder Mitarbeitende direkt betreffen
  • Wo und wie die Produkte hergestellt werden
  • Themen, die die Grundwerte des Unternehmens betreffen
  • Themen, die das direkte Umfeld des Unternehmen betreffen

Was eher nicht erwartet bzw. gewünscht wird, sind Themen,

  • die zwar wichtig für die Gesellschaft sind, aber keinen direkten Bezug zum Geschäftszweck des Unternehmens haben
  • Themen, die dem CEO persönlich wichtig sind (das wirkt, als wolle er sich persönlich profilieren), aber keinen Bezug zum Geschäft haben
  • Themen, die so wirken, also erhoffe man sich dadurch neue Kunden
  • die mit Parteipolitik zu tun haben.

Letzteres stellt Unternehmen heute vor ganz besondere Herausforderungen, denn offenbar gibt es kaum noch Bereiche, die man ansprechen kann, ohne dass sie sofort einer politischen Richtung zugeordnet werden. Der Klimawandel ist dafür ein bitteres Beispiel. Aber auch dazu gibt es Ratschläge, als da wären:

  • Orientieren Sie sich an den Werten, für die Ihre Organisation steht und übersetzen Sie diese in Handlungen und Politik. Beispiel hierfür ist Target mit seiner jahrelangen Unterstützung von der LGBTQ+-Community.
  • Verbinden Sie gesellschaftliches Engagement mit unternehmerischen Pflichten. Beispiel: Apple mit dem Schutz der Privatsphäre (Verschlüsselung von Daten auf dem Handy)
  • Wehren Sie sich gegen Politisierung. Manchmal muss man sich auch zur Wehr setzen und sich zu seinen Werten bekennen. Disney wandte sich gegen ein Gesetz, dass Unterricht zur Sexualität an Grundschulen verbot und sah sich dafür Angriffen der Regierung in Florida ausgesetzt. Das Unternehmen bezog sich auf einen anderen Wert der Konservativen (Redefreiheit) und klagte vor Gericht gegen Maßnahmen.
  • Schließen Sie sich mit anderen Unternehmen zusammen – zum Beispiel in nationalen Wirtschaftsverbänden.

Vorbeugend aktiv werden

Bleibt die Frage, was Unternehmen vorbeugend tun können, wenn sie nicht nur reagieren wollen? Auch dazu gibt es anschauliche Beispiele, als da wären:

  • Einen Ausschuss für gesellschaftliche Verantwortung einrichten, sowie ein Netzwerk von Managern, die ihre Region vertreten und einmal jährlich tagen (Michellin).
  • Themenausschüsse einrichten, die alle genannten Bereiche abdecken und regelmäßig tagen (Hewlett-Packard).
  • Den Umgang mit Stakeholdern als festen Tagesordnungspunkt bei Vorstandssitzungen einstellen.

Ein in der Tat sehr komplexes Thema, das hier sehr anschaulich und umfassend bearbeitet wurde. Könnte in der Tat ein Handlungsleitfaden sein in Zeiten, in denen nicht nur Unternehmen ständig aufpassen müssen, mit Äußerungen und Handlungen nicht Zielscheibe von Empörung und Hass zu werden.

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