2. Juli 2024

Management auf den Punkt gebracht!

Stark durchgesteuert

INSPIRATION: Wer eine flexible und agile Organisation möchte, der kommt nicht daran vorbei, die Hierarchie als führendes Organisationsprinzip abzuschaffen, sagt ein Arbeitspsychologe. Das ist mehr als flache Hierarchien einzuführen. Das nämlich, so eine Erkenntnis eines Besuchers im Silicon Valley, klappt nicht und wird wieder rückgängig gemacht. Stattdessen wird stark von oben durchgesteuert.

Man hatte es sich so schön vorgestellt. Weil die mittleren Führungsebenen die Entscheidungsprozesse doch so arg verlangsamten und die Strategien, die von oben kamen, nur zögerlich umsetzten (wenn überhaupt), müsste man sie einfach nur abschaffen. Dann hätten die operativen Teams endlich die Freiheit, die sie benötigen, können sich selbst organisieren und der Laden läuft.


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Ein Personalmanager eines deutschen IT-Unternehmens weilte einen Monat im Silicon Valley und hat sich umgeschaut, wie denn dort Unternehmen organisiert sind (Silicon Valley: „Same same but different“). Er sprach mit 30 Personen aus 20 Unternehmen und stellte fest, dass dort die Führungsspannen wieder kleiner werden. Wo 20 Entwickler auf eine Führungskraft kamen, häuften sich die Probleme, die Führungskraft war mit der Kommunikation überfordert, keiner konnte verantwortlich gemacht werden, wenn die Ziele nicht erreicht wurden. Und weil vieles ausgehandelt werden musste, verlangsamten sich die Entscheidungsprozesse.

Er selbst kennt das aus seinem eigenen Unternehmen. Dort hat man wieder Teamleiter eingeführt, die allerdings Teil des Teams sind und selbst mitarbeiten. Sein Fazit: Die Bedeutung von Führungskräften muss wieder gestärkt werden.

Wie verträgt sich das mit der Aussage eines Beraters, dass Hierarchien voller Widersprüche sind? Wenn die Verantwortung bei den Führungskräften liegt, dann entscheiden diese auch selbst. Und wundern sich anschließend, wenn die Mitarbeiter passiv und unselbstständig sind. Er meint, wer es ernst meint mit der Selbstverantwortung, der muss das Prinzip der Hierarchie selbst in Frage stellen.

Und das ist ja in der Tat kein Widerspruch. Es bedeutet: Entweder man setzt auf Hierarchie, dann muss man auch für entsprechende Arbeitsbedingungen sorgen und kann den Führungskräften nicht zu viele Mitarbeiter zuordnen. Denn ihnen die Verantwortung für die Ergebnisse ihrer Mitarbeiter aufs Auge drücken und dann verlangen, sich nicht einzumischen und die Mitarbeiter in Ruhe arbeiten zu lassen – wie soll das funktionieren? Das hat es noch nie.

Oder aber man schafft das Prinzip ab und verlagert die Verantwortung tatsächlich auf die Mitarbeiter selbst. Was zu einem zusätzlichen Dilemma führt. Die meisten Unternehmen, die dies versuchen, sind ja alles andere als konsequent. Sie behalten das hierarchische Prinzip an der Unternehmensspitze bei, aber weiter unten schaffen sie es ab. Und wundern sich, wenn dann die Mitarbeiter, die für alles verantwortlich sind, sich beschweren, wenn dann doch wieder von oben durchregiert wird.

Entweder – oder?

Bleibt die Frage: Entweder durchgehend strikt hierarchisch mit entsprechenden Führungsspannen oder eine Organisationsform, die es schafft, sich von Hierarchien ganz zu lösen – sind das die Alternativen?

Natürlich nicht, sagen die „Fachleute“, im Personalmagazin werden gleich vier Firmen präsentiert, die mit „Zwischenlösungen“ experimentieren. Bei B.Braun hat sich der HR und Communications-Bereich eine neue Struktur gegeben (Wir müssen weg von der Rolle des allwissenden Kontrolleurs). Man bildete ein „Trafo-Team“, das den Prozess begleitet und in dem gewählte Repräsentanten der Abteilungen sitzen. Es gibt nach wie vor Führungskräfte, aber ihre Rollen wurden neu definiert. Sie sind mehr Coach, aber haben noch Entscheidungskompetenzen, auf ausdrücklichen Wunsch der Mitarbeiter. Und man bildete Kreise, die zuvor festgelegt haben, nach welchen Methoden sie entscheiden. Klingt so ein bisschen nach Soziokratie – aber nur ein bisschen. Was mir gut gefällt: Der HR-Bereich fängt im eigenen Laden an, statt die anderen zu beglücken.

Bei der Volkswagen AG hat man tatsächlich auch experimentiert und eine „HR-Querdenkerfabrik“ gestartet. Eine größere Geschichte, bei der 84 Menschen in einem Workshop sich mit Themen wie Zukunftsfähigkeit, Führungskultur, Digitalisierung und Leitbild der Personalarbeit befassten und nach dem Design-Thinking Ansatz Ideen entwickeln sollten. Die besten sollen nun in einem 100-Tage-Programm in konkrete Maßnahmen umgesetzt werden. Für VW vermutlich ein Meilenstein, klingt aber eher nach einem von vielen Projekten, die überall in Konzernen immer wieder mal gestartet wurden. Mit dem Unterschied: Auch hier macht HR den Vorreiter, und offenbar hat man die Veranstaltung so transparent gestaltet, dass Mitarbeiter vorbeischauen und mit diskutieren konnten (Besser fahren mit Bottom-up).

Bei der Telekom hat sich die Unternehmenskommunikation einen Ruck gegeben und ein neues Modell eingeführt. Natürlich gleich mit einem griffigen Namen: Die“Flash Organisation“. Nicht so ganz neu, es ist die Fortsetzung der Projektorganisation, bei der sich Teams zu bestimmten Themen und nach getaner Arbeit wieder auflösen. Damit die richtigen Leute, die auch Zeit haben, mitmachen, wurde eine Skilldatenbank aufgebaut, so dass nun eine dynamische Ressourcensteuerung möglich ist. Die Datenbank basiert auf 180 Skills, die per Selbsteinschätzung mit „Buddy Check“ gefüllt wurde. Der erste Satz in dem Beitrag (Die Vision der Flash Organisation) klingt schon schräg: „Unternehmen sind Aufgabenbewältigungsmaschinen„. Genauso wirkt auch das Modell – es geht um Steuerung, wobei diese nicht mehr ganz so zentral stattfinden soll.

Und schließlich noch die Firma Heräus (Zwischen Planbarkeit und Agilität), wo man das klassische Projektmanagement nicht ersetzt, sondern dort, wo es sinnvoll erscheint, durch agile Methoden ergänzt. Auch hier früh ein bezeichnender Satz: „Aus unternehmerischer Sicht ist das Ziel von agilem Projektmanagement simpel: Mit möglichst geringem Ressourceneinsatz soll ein für den Endnutzer bestmögliches Ergebnis erzielt werden.“ Darüber könnte man jetzt lange diskutieren und wird sich am Ende einig sein, dass dies das Ziel jedes unternehmerischen Handelns ist. Offenbar wird hier Agilität verstanden als eine weitere Methode aus der Toolbox, noch effizienter und kundenorientierter zu werden. Nun denn, so gesehen stellt sich die Frage nach der Hierarchie gar nicht.

Eine Sache noch aus dem Besuch im Silicon Valley: Dem Autor ist aufgefallen, dass Führungskräfte ihre Rolle dort wesentlich mehr als hierzulande so verstehen, dass sie den Mitarbeitern ein optimales Umfeld ermöglichen. Ihnen soll es an nichts fehlen, schließlich sind sie ein kostbares Gut. ABER: Wenn die Leistung nicht stimmt, dann hat derjenige nur kurz Zeit, nach entsprechendem Feedback diese zu verbessern, ansonsten wird knallhart entschieden.

Ich frage mich, wie das wohl aussehen mag, wenn Führung von Teams selbst übernommen wird. Ich könnte mir denken, dass es so ähnlich verlaufen wird: Das Team wird für optimale Rahmenbedingungen sorgen. Wie fürsorglich Teams im Vergleich zu Führungskräften agieren, wäre sicher noch einige Studien wert…

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