INSPIRATION: Das Thema hat Hochkonjunktur – die deutschen Beschäftigten „feiern“ zu oft krank. Den Begriff habe ich tatsächlich in einem Artikel von zwei Wirtschaftsjuristen gefunden. Er steht für das, was offenbar durch viele Köpfe geistert: Menschen, die einfach keine Lust zum Arbeiten haben, feiern lieber. Soll heißen, sie bleiben zu Hause ohne wirklich krank zu sein.
Bevor hier die Juristen auf der einen und eine Arbeitspsychologin zu Wort kommen, ein Blick auf die Zahlen. Sie sind tatsächlich in die Höhe gegangen. Bis 2015 waren sie etwa gleichbleibend, dann stiegen sie an, und das Gleiche geschah dann noch einmal seit 2022. Was übrigens nichts mit der Möglichkeit der telefonischen Krankschreibung zu tun hat, die 2021 eingeführt wurde (Viele Gründe für Krankheitsbedingte Fehlzeiten in Deutschland). Schon eher mit den stetigen Anstieg der psychischen Erkrankungen. Und mit einem sprunghaften Anstieg der Atemwegserkrankungen. Nicht zu vergessen, dass es offenbar auch viele Menschen gibt, die trotz Krankheit arbeiten und damit das Risiko für längere Ausfallzeiten erhöhen (Präsentismus).
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Noch ein letzter Fakt: Die Fehlzeiten sind besonders in den Dienstleistungsberufen hoch, weniger in den Produktionsberufen. Womit wir zu den Ursachen kommen. Die Psychologin spricht von einer „sehr starken Verdichtung von Arbeit“, der Personalmangel erhöht den Druck auf diejenigen, die übrig bleiben (Survivor Sickness). Das System sei „in vielen Unternehmen zu sehr auf Kante genäht – sobald jemand ausfällt, wird die Belastung für den Rest zu hoch. Hier ist vernünftige Team- und Projektplanung gefragt.
Von wegen Leistung gegen Geld
Sie räumt auch auf mit dem immer wieder geäußerten Verdacht, dass es vor allem die junge Generation ist, die angeblich nicht sonderlich belastbar sei. Tatsächlich sind die bei den über 55jährigen besonders hoch, sie sind bei den 25 bis 30jährigen am geringsten. Und sie appelliert an die Unternehmen, sich vor allem um jene zu kümmern, die tatsächlich krank sind und um jene, die zur Arbeit kommen, obwohl sie krank sind (Sinkt die emotionale Bindung, steigen die Fehlzeiten). Letzteres sei doch ein höchst interessantes Phänomen: Wenn Menschen wirklich dazu tendieren, „krank zu feiern“, warum gehen sie dann zur Arbeit, wenn sie krank sind? Am Geld kann es ja nicht liegen, den hierzulande gibt es ja die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Arbeit ist also wesentlich mehr als „Leistung gegen Geld“.
Und schließlich: Was ist von den Karenztagen zu halten? Also nicht mehr ab dem ersten Tag der Krankschreibung das Gehalt zu zahlen? Oder Krankschreibungen ab dem ersten Tag zu verlangen? Zu hoher administrativer Aufwand, verschwendet nur Ressourcen und führt vermutlich zu noch mehr „Präsentismus“ – und damit zu längeren Ausfallzeiten.
Was dann? In Dinge investieren, die präventiv wirken. Schöne Beispiele gibt es ja durchaus (Rühmliche Ausnahme). Auf erkrankungsgerecht gestaltete Arbeitsplätze hinweisen, die Möglichkeit kennen viele gar nicht. Dass Menschen je nach Erkrankung alternative Möglichkeiten geboten bekommen, ihren Job zu machen. Zum Beispiel von zu Hause aus. Oder Teilaufgaben für eine Zeit abgeben. Kein schlechter Vorschlag wäre auch die Einführung von Teilzeitkrankschreibungen, so etwas gibt es in anderen Ländern. Je nach Krankheit kann es helfen, flexibler zu arbeiten statt gar nicht.
Zur Arbeit zwingen?
Nun aber zu den Juristen. Die nämlich deuten an, dass die steigenden Fehlzeiten etwas damit zu tun haben, dass die Arbeitnehmer nach Corona vorsichtiger geworden sind und schon mit einem leichten Schnupfen zu Hause bleiben. Und dagegen fahren sie nun höchst interessante Geschütze auf. Hier mal eine Auswahl:
Anreiz- und Bonussysteme: Die alte Anwesenheitsprämie (Ein bisschen Denken beim Schenken), kein Scherz. Aber sie haben sie verfeinert und zur Gesundheitsprämie umgewandelt. Der Unterschied? Es gibt kein Geld für längere Anwesenheit im Betrieb, sondern man sagt ihnen eine Gesundheitsprämie zu und zieht dann für jeden Tag Abwesenheit einen Betrag ab. Dann sieht man praktisch seine Prämie schwinden. Sehr clever.
Bonus- und Zielvereinbarungen für Führungskräfte, die für eine bestimmte Fehlzeitenquote einen Bonus erhalten. Oder ein Teambonus, der zum Beispiel als Sachprämie ausgelobt wird (Tischkicker oder Billardtisch, damit die krank im Betrieb auftauchenden Kollegen wenigstens was zum Spielen haben).
Kürzung von Sondervergütungen und übergesetzlicher Urlaubstage, frühere Vorlage von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (siehe oben), Detektiv-Überwachung (vor der allerdings tatsächlich gewarnt wird) bis hin zur krankheitsbedingten Kündigung.
Ich will nicht unfair sein. Die Idee des Beitrags (Motivieren, appellieren, sanktionieren) ist, alle tatsächlich denkbaren Maßnahmen aufzuzählen, aber sie nicht unbedingt zu empfehlen. Tatsächlich wird auch auf die Flexibilisierung von Arbeitszeit und -ort hingewiesen. Dennoch erwecken solche Zusammenstellungen den Eindruck, dass es sich tatsächlich lohne, mit Zuckerbrot und Peitsche den krankheitsbedingten Fehlzeiten zu Leibe zu rücken. Wer aber so weit gekommen ist, dass er seine Beschäftigten zur Arbeit zwingen muss, der hat ganz andere Probleme …