KRITIK: Bei Siemens will man weg von der Auffassung des Menschen als Ressource, deshalb hat man HR umbenannt in „People & Organization“. Außerdem wurde offenbar ein Bereich mit Namen People Experience erschaffen, der bemüht sich nun darum, den Mitarbeitenden zuzuhören und will erstmals „konsequent die Brille der Menschen“ aufsetzen, die bei Siemens arbeiten (Mensch, nicht Ressource).
Der Leiter dieses Bereiches betont natürlich, dass bei Siemens „das Wohl des Mitarbeitenden jenseits der reinen Arbeitskraft ohnehin schon immer einen großen Stellenwert hatte.“ Aber angesichts der Tatsache, dass Berufliches und Privates immer mehr verschwimmen, hat das „Re-Branding“ hohe Symbolkraft. Man hat sich entschieden, auch nicht von „Employee Experience“ zu sprechen, sondern will den Menschen in den Fokus rücken, deshalb „People“.
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„People“ praktisch
Was bedeutet das praktisch? Man ahnt es: Mitarbeiterbefragungen, mit dem Unterschied zu früher, dass sie zeitnah zu der Interaktion stattfinden, um die es gerade geht. Also zum Beispiel wurden neu Eingestellte zum Onboarding-Prozess befragt. Das Ergebnis war erfreulich positiv, aber da es ja nichts gibt, was man nicht verbessern kann, wurde nach einer Reihe von Workshops ein neues Produkt entwickelt – ein App, die sich „auf dem Weg in Richtung Roll-out befindet“. Sie soll den Einarbeitungsprozess noch angenehmer machen, regelmäßige Befragungen zur Zufriedenheit der Neuen führen zu Daten, die vom zuständigen Team im „People Experience Dashboard“ beobachtet werden, um zeitnah reagieren zu können.
Ein zweiter Prozess, der erfasst wurde, war das Performance Management. Da sah das mit der Zufriedenheit ganz anders aus, und Siemens reagierte radikal: Es wurde komplett abgeschafft. Jetzt gibt es nur noch ein Konstrukt namens „Growth Talks“, bei dem es um Erwartungen, Entwicklung, Feedback und Lernen geht. „Kein Tool, kein festgelegter Prozess, keine Dokumentation mehr …“ Sieh an, sieh an, das nenne ich in der Tat einen Fortschritt. Wobei man darauf durchaus auch durch einfaches Nachdenken hätte kommen können – dass man „Performance“ nicht managen kann, ist keine neue Erkenntnis, und dass miteinander reden immer hilft, auch nicht.
Employee Journey bei BMW
Bei BMW heißt der Personalbereich immer noch HR, da hinkt man wohl noch hinterher (Eine Reise mit Strahlkraft und System). Und statt von People spricht man hier auch noch von Employees, und der Prozess von der Wahrnehmung des Arbeitgebers bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses nennt sich Employee Journey. Die Personaler haben sich die komplette „Reise“ angeschaut und über 100 Momente identifiziert, die es so zu gestalten gibt, dass der Berufsweg bei BMW ein Erlebnis der besonderen Art wird. Es gibt „Legendary Moments“, zu denen z.B. der erste Arbeitstag zählt, „Moments that Matter“, die den Unterschied machen (z.B. das Umsetzen von Maßnahmen nach einem Training) und „Core Moments“ – Situationen, die erst dann auffallen, wenn sie schief gehen, z.B. die pünktliche und fehlerfreie Gehaltsabrechnung.
Das Projektteam hat alle diese Momente beschrieben und arbeitet nun an einem „Cookbook“ mit Handlungsanweisungen, eine Art Rezeptbuch mit konkreten Ideen. Ob die Führungskraft, die ihre neue Mitarbeiterin mit einem 7er BMW am ersten Arbeitstag zu Hause abholte, das Rezept dafür aus dem Kochbuch hatte? Und natürlich möchte man bei HR wissen, ob die „Mahlzeiten“ auch ankommen, und das misst man mit regelmäßigen Mitarbeiterbefragungen.
Die Mitarbeitenden als interne Kunden
Ob People Experience oder Employee Journey bessere Begriffe als Human Resources für das sind, was Personaler als ihr Betätigungsfeld ansehen? Ich bin skeptisch. Sicher, dass man nun das Wohl und die Zufriedenheit der Mitarbeitenden stärker im Blick hat, ist schön, aber angesichts der dramatischen Lage auf dem „Fachkräfte-Markt“ sicher eine logische Konsequenz. Sollte sich der Wind irgendwann wieder drehen und ein Überangebot an Bewerbern die Folge sein, wird sich zeigen, wie ernst all das gemeint ist.
Aber wenn man schon so viel Wert auf die Begrifflichkeiten legt (was ohne Zweifel eine gute Idee ist), dann sollte man vielleicht noch genauer hinschauen. Und dann fällt auf, dass hinter den Vorhaben vielleicht nicht mehr das Bild des Mitarbeitenden als Ressource, aber dafür das des Kunden steckt. Da ist nämlich von Produkten die Rede, von der Analogie zwischen Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit. Was zu einem naheliegenden Schluss führt: Der Personaler sieht sich nach wie vor als jemand, der etwas verkauft, und sein Kunde ist der Kollege vor Ort bzw. das Management. Das hatten wir schon in den 90er Jahren, als das Personalwesen die Kundenorientierung entdeckte.
Als Kunde behandelt zu werden, mag sich besser anfühlen als lediglich eine „Ressource“ zu sein. Aber so richtig verstanden hat m.E. der Personaler seine Rolle im Unternehmen damit immer noch nicht.