INSPIRATION: Wer an der Spitze eines Unternehmens steht, verspürt einen gewaltigen Druck. Und der hat laut einer Umfrage der Personalberatung Egon Zehnder stark zugenommen. Das gilt vor allem für diejenigen, die neu auf die Position gelangen. Da erwarten die Gesellschafter, dass sich schnell Erfolge zeigen. Spätestens nach 100 Tagen sollten erste Projekte angestoßen und wichtige Personalentscheidungen getroffen sein (Probier’s mal mit Gemütlichkeit).
Vermutlich gilt diese Erwartungshaltung für jede neue Führungskraft. Auch wenn sie nicht so sehr im Fokus steht wie ein CEO. Mit der Folge, dass so manch einer die Zeit zwischen Vertragsunterzeichnung und Einstieg dazu nutzt, „sich akribisch auf die neue Position vorzubereiten“. Um dann vom ersten Tag an loszustürmen. In der Regel hat er ja auch klare Vorstellungen davon, welche Art von Organisation er schaffen möchte, warum damit warten?
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Keine gute Idee, sagen die Experten. Das Signal an die Belegschaft lautet dann eher, dass bisher wohl alles schlecht war und das hört niemand gerne. Weil es ja auch nicht stimmt. Wer etwas bewirken will, braucht die Akzeptanz im Team, sonst wird es schwierig. Und wie bekommt man diese? Indem man seinen Tatendrang zügelt, erst einmal beobachtet und Fragen stellt.
Gut zuhören
In dem Beitrag der Wirtschaftswoche berichten einzelne Top-Manager, wie sie selbst vorgegangen sind. Der eine hat sich klassisch 100 Tage Zeit genommen, eine Liste mit 25 Aufgaben erstellt und versucht, alle Schlüsselpersonen kennen zu lernen, sprich: Gesellschafter, Vorstandskollegen, die erste Führungsebene, Betriebsrat und die wichtigsten Kunden. Das allein kostet ja schon viel Zeit, aber ist natürlich schlau, will man später mit allen vernünftig zusammen arbeiten. Das können lange Tage werden. Ähnlich könnten es auch Führungskräfte in unteren Positionen tun – herausfinden, wer Schlüsselpersonen für ihre Stelle sind und um Gesprächstermine bitten.
Ein anderer hat sich unangekündigt in der Produktion sehen lassen, mit Mitarbeitenden gesprochen und ihnen zugehört. Oder ist mit einem Außendienstler zu Kunden gefahren. Er hatte auch deshalb deutlich mehr Zeit, weil er noch ein Jahr mit seinem Vorgänger zusammen die Geschäfte geführt hat – ein wohl eher untypischer Fall.
Noch eine Sache, bei der man sich zügeln sollte: Verzichten Sie darauf, ständig von früheren Erfahrungen zu berichten nach dem Motto: „Auf meiner letzten Stelle habe ich …“ Das interessiert niemanden, nervt aber. Sinnvoll ist es hingegen, sich auf den Firmenjargon einzustellen, statt mit Begriffen um sich zu werfen, die aus einem anderen Universum stammen. Und schließlich: Wer Menschen für sich gewinnen möchte, sollte sie nicht zu sich zitieren, sondern auf sie zugehen.
Balance-Akt
Eine Balance-Akt, ohne Frage. Einerseits wird es auch in der Belegschaft viele Menschen geben, die hoffen, dass sich mit dem Neuen tatsächlich etwas ändert. Andere hingegen werden voller Misstrauen jede Veränderungsabsicht als Beleg dafür sehen, dass der Neue keine Ahnung hat. Wartet man zu lange, sind erstere enttäuscht. Legt man sofort los, wird man von zweiteren ausgebremst. Letztlich ist man auf beide angewiesen.
Ein wenig so wie ein Fußballtrainer, der eine Mannschaft übernimmt. Er hat eine klare Vorstellung von einem Spielsystem, aber wenn er vom ersten Wochenende an verlangt, dass die Mannschaft seine Vorstellungen umsetzt, könnte er argen Schiffbruch erleiden. Vermutlich ist gar nicht jeder Spieler in der Lage, sich so schnell umzustellen. Da erscheint es sinnvoller, den Wandel passend zu den Fähigkeiten des Team voranzutreiben. Aber gar nichts zu ändern ist ebenso falsch, dann hätte man ja auch den alten Trainer behalten können. Wie gesagt – ein Balance-Akt.