Topf und Deckel

KRITIK: Nicht jeder Top-Manager ist für jede Unternehmenssituation geeignet – so schlicht und banal dieser Satz erscheint, so selten wird er vermutlich berücksichtigt. Die Personalberatung Korn Ferry Hay hat nun für fünf typische Unternehmenssituationen den passenden Manager-Charakter entdeckt (Ein Chef für alle Fälle). Wie das so üblich ist, klotzt man mit großen Zahlen. Angeblich hat man inzwischen über 4,4 Millionen Führungskräfte psychologischen Tests unterzogen (was ich schwer bezweifle) und daraus nun unerlässliche Kernkompetenzen, Charaktereigenschaften und Antriebe extrahiert. Hier kommen die fünf Situationen mit den passenden Managerprofilen:

1. Gründung: Das Unternehmen ist klein, hat ein einziges Produkt, wenige, aber hochqualifizierte und motivierte Mitarbeiter.
   Der gesuchte Chef muss Unternehmergeist besitzen (ach was), Durchhaltevermögen, Innovationen vorantreiben können, muss mit Fehlschlägen umgehen können, besitzt Selbstvertrauen, Neugierde und Risikobereitschaft.
2. Wachstum: Neue Märkte sollen erobert werden, Akquisitionen getätigt und interne Ressourcen ausgebaut werden.
   Der Manager braucht Branchen- und Marktkompetenz, bewegt andere zum Handeln, vermittelt Visionen und Ziele und gewinnt Spitzenkräfte fürs Unternehmen. Kooperationsvermögen, Leistungsstreben und Glaubwürdigkeit sind die wesentlichen Eigenschaften.
3. Sanierung: Es herrscht eine Krise, finanzielle Engpässe müssten bewältigt und alte Strukturen beseitigt werden.
   Der Manager kann schmerzhafte Entscheidungen treffen (na sowas), kann mit Ängsten und Unsicherheiten umgehen, bleibt gelassen und strahlt Optimismus aus. Seine Haupteigenschaften: Glaubwürdigkeit, Gradlinigkeit, Verständnis, Durchsetzungsstärke und Anpassungsfähigkeit.
4. Stabilität: Es gilt, einen großen Marktanteil in einer ausgereiften Brance zu sichern.
   Der Manager arbeitet gerne in einem stabilen und strukturierten Umfeld, er mag systematisches Vorgehen, schafft klare Verantwortlichkeiten und ein Klima, dass die Mitarbeiter motiviert. Eigenschaften sind: Fokussiertheit, Kooperationsvermögen und Kontaktstärke.
5. Innovation: In einem unsicheren und wechselhaften Markt müssen neue Produkte her.
   Der Manager bringt neue Ideen ein (ich staune), experimentiert mit neuen Lösungen, hat Initiative und Mut, ist bescheiden und schafft ein Klima des Vertrauens, so dass alle sich trauen, den Status quo zu hinterfragen. Seine Eigenschaften sind Flexibilität, Selbstvertrauen und Risikobereitschaft.

Was die Motivatoren betrifft, so unterscheiden sich die Typen nicht sonderlich: Sie alle wollen gestalten und suchen die Herausforderung – bis auf den stabilen Typen, dem es um – genau – Stabilität und Struktur geht.

Wirkt das nur auf mich so banal? Dass Headhunter bei ihren Empfehlungen auf solche Dinge achten, das setze ich mal voraus. Nicht umsonst predigen sie ja immer, dass man erst einmal sehr sorgfältig ein Anforderungsprofil erstellt, ehe man auf die Suche geht.

Was ich viel spannender finde: Wie gehen Unternehmen denn Veränderungen bei den Anforderungen um? Was, wenn das Start up wächst? Das stabile Unternehmen in eine Krise gerät? Oder nach dem Wachstum eine Phase der Ruhe einkehrt. Sagt man dann den Top-Leuten: „Bisher warst du der Richtige, aber jetzt wird das Umfeld ruhiger, deshalb tauschen wir dich aus!“ Kann ich mir schlecht vorstellen – es wird dann eher wie beim Fußballbundesligisten sein: Man wartet, bis der alte Trainer „die Mannschaft nicht mehr erreicht“ und löst ihn dann erst ab.

Schlauer wäre es doch, Spitzenpositionen von vornherein nur für die jeweilige Unternehmensphase zu vergeben. Was sich dann aber wiederum beißt mit der Forderung nach Langfristigkeit. Warum halten sich einige Manager über viele Jahre an der Spitze? Sind das Universal-Genies, die alle fünf Rollen perfekt beherrschen?